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Der
Neger kennt drei große europäische Nationen. „Wafaransa"
(Franzosen) nennt er die katholischen Missionare, „Waingleza"
(Engländer) nennt er die protestantischen Missionare. Und die
„Wadachi" (Deutschen) sind die Soldaten. Diese Einteilung
nach dem Beruf ist so typisch, daß man kein Wort hinzuzufügen
braucht. „Wa-dachi" und „Soldat" ist ein Begriff. Wir
verdanken einer solchen Anschauung viel mehr, als wir glauben. Man
hat Deutsch- Ostafrika das „Achsel-stückenland" genannt.
Diese Bezeichnung läßt sich so und anders auffassen. Ich sehe
beileibe keine Beleidigung in ihr. Es ist richtig, daß in
Deutsch-Ostafrika der Mensch eigentlich erst mit den Achselstücken
beginnt, ein Mensch zu werden. Für den Privatmann mag das nicht
immer angenehm sein. Ich glaube aber, daß diese minderwertige
Stellung des Privatmanns erst ihren Anfang genommen hat, seitdem der
bunte Rock Afrika nicht mehr regiert.
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Der
Soldat verlangte vorn Schwarzen den Gehorsam, den er von seinen
militärischen Untergebenen verlangt. Der Zivilbeamte erwartet von
dem Schwarzen die Achtung vor dem Gesetz, die er zu Hause von jedem
Bürger erwarten darf. In diesen kurzen Sätzen liegt der Schlüssel
zu einer großen Frage. Der Schwarze will nach strengen Vorschriften
behandelt werden, um das zu sein, was wir Mensch nennen. Wenn wir ihn
wie einen Bürger unseres Staates behandeln, dann wird er übermütig,
und wir haben eines Tages einen Mißerfolg. Aus diesem Grunde bin ich
für „Achselstückenpolitik" in Afrika. Und mit mir sind es
eine Menge alter Afrikaner. Der Soldat war der Kulturpionier in
Deutsch-Ostafrika, in jener Zeit, in welcher man an Bahnen noch nicht
dachte, in welcher der Soldat auch sein eigener Post- und an
Grenzstationen sein eigener Zollbeamter war, wo er in einem halben
Jahr auf eine Briefantwort rechnen durfte, wo er monatelang auf das
Eintreffen der allernotwendigsten Gebrauchsgegenstände warten
durfte, — oft nur zu dreien auf einer Station. Und von diesen
dreien war noch einer auf Safari und ein anderer lag krank. In jenen
Tagen haben sich alle Kanten und Ecken des Soldaten abgeschliffen.
Ein neuer Mensch entstand damals, der Kolonialsoldat, der sich sein
Haus selbst baut und sich seine Möbel selbst zimmert, der im Garten
so gut zu Hause ist wie im Gerichtssaal. Trotz dieser
Beschäftigungen, die mit dem Kriegshandwerk scheinbar nichts gemein
haben, blieb er Soldat vom Scheitel bis zur Sohle. Anspruchslos,
strenge gegen sich und andere, stolz auf seinen Rock und leichtlebig
wie| ein Soldat: das waren seine Tugenden und seine Laster. Und an
einem solchen Herrn fand der Neger ein Wohlgefallen. Die Kompagnie —
obgleich sie aus Söldnern
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bestand
—hat niemals versagt. Wer den Schwarzen kennt, der wird dies
beileibe nicht ihm zur Ehre anrechnen. Der Verdienst liegt auf seiten
des weißen Mannes, der es verstand, streng, aber der Natur des
Negers angepaßt, ihn zu regieren. Die Stationen waren
Schmuckkästchen, selbst in ihrer allerprimitivsten Einrichtung. Ein
Strohdach, eine mit Baumwolltuch darunter bespannte Decke, etn
Lehmfußboden und ein Fenster aus verdorbenen photographischen
Platten, — das genügte dem Landsknecht. Der Kompagniechef — ein
Hauptmann oder älterer Oberleutnant — war auch der Chef des
Landes. Er pflegte die Gerichtsverhandlungen zu machen, verteilte die
Arbeiten und waltete wie ein Gutsbesitzer seines verantwortungsvollen, schönen Amtes. War er im Besitze einer schwarzen bibi, so
war dies die „Mama" der Station, so genannt von allen
Soldatenfrauen. 6 So hatte jeder seine Beschäftigung. Es ging von 6
Uhr morgens bis 5 Uhr nachmittags mit 2 Stunden Mittagspause. Eine
große Trommel rief die Arbeiter, ein Trompetensignal die Kompagnie.
Das Alarmsignal oder drei kurz hintereinander abgegebene Schüsse
alarmierten alles. In 5 Minuten stand die Wehr des Vaterlandes in
solcher entfernten Ecke der Welt, wie sie zu Hause auf dem
Kasernenhofe im Spiel dies übt. Die anstrengende Beschäftigung von
früh bis spät, der ungewohnte, vielseitige Dienst, und die
fortwährende erhöhte Kriegsbereitschaft brachten viele Schäden an
der Gesundheit des Einzelnen mit sich. Lange hat das niemand gemacht.
Die wenigen Alten, die Wißmann hier draußen noch erlebt haben,
abzuzählen, braucht man wirklich nicht einmal die Finger einer Hand.
Die schwarze Soldateska besteht aus Söldnern, die für frühere
Verhältnisse hervorragend bezahlt wurden. Der Askari erhielt 20, der
Ombasha 30, der Schausch 40, der Betschausch 50, der Sol 60 Rp. Ganz
früher gab es auch noch farbige Offiziere, die den Titel Effendi
führten. Sie erreichten stolze Gehaltshöhen (bis 200 Rp.). Der
Askari durfte sich nur eine Frau halten. Die Suria-Wirtschaft war
aber gerade bei ihnen vertreten. Da galt denn die eine Frau als
Ehefrau, eine andere war ihre Schwester, eine dritte die Schwester
des Mannes usw.
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Die
Frau des Sol nahm zwischen den Askarifrauen eine besonders angesehene
Stellung ein. Einer solchen Kompagnie folgten im Umsehen auf die
Station arabische und Suaheli- Händler. Die Inder kamen erst ein
ganzes Jahrzehnt später ins Innere des Landes. Der Askari legte
einen nicht unbeträchtlichen Teil seines Soldes in Kleidung an. War
es ihr doch gestattet, außer Dienst in Zivil gehen zu dürfen. Im
übrigen ist für die Soldaten in mancher Beziehung gesorgt. Sie
können sich eine Pension verdienen, die Witwe erhält Gnadenlöhnung,
auf Reisen wird Poscho 5 (Beköstigungsgeld) gezahlt usw.Alle diese Vorteile aber haben uns die Neger nicht so zu den Fahnen getrieben, wie der eine große Umstand, daß der Deutsche ein Soldat ist. Das ganze Land schwärmte von der Soldateska, und der bunte Rock bedeutete für den Träger eine Ehre. Ging ein Soldat am Sonntagnachtnittage zu einem nahen Akiden oder Sultan, so ließ dieser ein Rind schlachten, Weiber gab es im Überfluß und Bier in Strömen. Der Soldat war ein gern gesehener Mann. Glaubte man doch, daß der Weg zum Europäer durch ihn führe. Und er war der einzige Grund, weshalb jedermann gern Soldat war: Er erlebte Ehrungen auf allen Erden.
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Und wie viele Kleinigkeiten führte der deutsche Soldat ein, die wir heute als etwas Altgewohntes und daher Selbst-verständliches betrachten. Ich erinnere an die feierliche Fahnenparade jeden Nachmittag um 6 Uhr. Ich erinnere an die Geburtstagsfeiern des Kaisers und der Kaiserin. An das Einholen eines Weißen, der lange auf Safari war. Gewiß ist es ein Theaterspiel, wenn man einem Scheiden-den oder einem auf Safari Gehenden eine Salve nachschießt. Aber Theater gehört zum bunten Rock. Das Alltagsleben schafft nicht die Begeisterung, die erforderlich ist, um das Leben einzusetzen für das Vaterland. Warum ahmt man denn noch heute auf allen von Zivilbeamten geleiteten Stationen diese Sachen nach? Doch nur, weil sie sich zwei Jahrzehnte hindurch und länger als nach Afrika passend erwiesen haben. Für den Soldaten gilt nun einmal die Losung: heute rot, morgen tot. Solange er rot ist, laßt ihn feiern.
(Quelle: Bengerstorf, Hermann von. 1914. Unter der Tropensonne Afrikas. Hamburg: Thaden.)
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