Das ist die deusche und erweitere Fassung meines Artikel in der Le Monde.
Der Krieg in Afrika (Palgrave Macmillan, History of Africa (3rd ed) – Map 23.2 The First World War and Africa, 1914–18) |
Dies änderte sich
erst mit dem Ausbruch des Krieges. Die überseeischen Territorien
gewannen eine hohe Bedeutung vor allem für Frankreich und
Großbritannien. Mehr als eine halbe Million Soldaten aus den
Kolonien kämpften für Frankreich während des Krieges, 200.000
Arbeiter füllten die leeren Werkbänke der französischen Industrie
und produzierten dort kriegswichtige Güter. Die Briten setzten mehr
als eine Million Soldaten aus den Kolonien und Dominions ein, die
auch einen beträchtlichen Beitrag zur britischen Kriegswirtschaft
leisteten. Für die Kolonialpolitiker in London und Paris war dies
ein schlagender Beweis für die Bedeutung der Kolonien für das
Mutterland. Ohne Kolonien war eine globale Machtpolitik im 20.
Jahrhundert nicht mehr denkbar. Deutschland musste nicht nur in
Europa besiegt werden, sondern auch in Afrika und Asien.
So global aber
dachten die Verantwortlichen in Berlin kaum. Bereits 1897 hatte sich
die deutsche Admiralität gegen eine aktive Rolle der Marine in der
Sicherung von überseeischen Territorien ausgesprochen. Auch in den
strategischen Planungen des Generalstabs nahmen die Kolonien keinen
bedeutenden Platz ein. Die Schaffung imperialer Truppen, wie es sie
in Großbritannien und Frankreich gab, lehnten die deutschen Militärs
ab. Aus den deutschen Kolonien fand während des ganzen Krieges dann
auch kein einziger Soldat, kein kriegswichtiges Gut seinen Weg nach
Europa. Während die Franzosen und Briten beträchtliche Ressourcen
für den Krieg in Afrika bereitstellten, gelangten gerade mal zwei
Versorgungsschiffe nach Ostafrika, dem am heftigsten umkämpften
Kriegsschauplatz. Es waren dann allerdings nach dem Krieg die
Deutschen, die den Krieg als erste als einen Weltkrieg bezeichneten.
Geführt haben sie ihn aber als einen europäischen.
Die britische
Entscheidung, den Krieg auch in den Kolonien zu führen, fiel bereits
wenige Tage nach Ausbruch des Krieges. Das britische
Kolonialministerium fürchtete um die Sicherheit der Seewege nach
Indien. Mit der Eroberung der deutschen Häfen und Funktürme in
Afrika sollten deutschen Schiffen ihre Operationsbasen und
Kommunikationswege genommen werden. Als am 6. August der deutsche
Kreuzer Königsberg im Golf von Aden ein britisches Handelsschiff
aufbrachte, schienen sich diese Befürchtungen zu bewahrheiten. Einen
Tag später, am 7. August, übertraten britische Truppen die Grenze
zu deutschen Kolonie Togo. An diesem Tag feuerte der Sergeant Alhaji
Grunshi den ersten Schuss auf Seiten der Briten in diesem Krieg ab.
Am folgenden Tag besetzten die Briten Lomé, die Hauptstadt der
Kolonie. Für die Briten begann der Erste Weltkrieg in Afrika.
Die Entscheidung für
den Krieg in den Kolonien war nicht unumstritten, auf keiner Seite.
Das britische Kriegsministerium wollte weder Soldaten noch Material
an einen so unwichtigen Kriegsschauplatz vergeuden. In der Tat war
die Bedrohung durch deutsche Kreuzer eher gering. Gerade mal eine
Handvoll deutscher Kreuzer segelte fern Europas auf den Weltmeeren.
Die Hauptsorgen der Franzosen und Belgier galten in den zwei ersten
Kriegsjahren der Westfront. Sie beschränkten sich zunächst auf eine
Unterstützung britischer Operationen. In der Kolonien selbst war der
Krieg nicht sonderlich populär. 1914 war die imperiale Konkurrenz
vielfach der Kooperation gewichen. Vor allem Missionare warnten vor
den Folgen eines Krieges zwischen den Europäern auf dem Kontinent.
Sie hatten das koloniale Projekt als ein europäisches
Zivilisierungsprojekt verstanden und fürchteten nun um das Prestige
der Europäer. Weite Teile der Zivilverwaltung und der europäischen
Bevölkerung in den Kolonien teilten diese Sorgen. Die Gegner des
Krieges beriefen sich auf die Kongoakte, die eine Neutralität der
Kolonie im Falle eines europäischen Konfliktes vorsah. So gab es im
August 1914 durchaus noch eine Chance den Krieg aus Afrika
fernzuhalten. Doch wie im Juli in Europa versagte die europäische
Diplomatie auch hier.
Dass die Initiative
für die Diplomatie vor allem von den Deutschen ausging, lag vor
allem an der für sie wenig günstigen strategischen Situation. Alle
deutschen Kolonien waren umringt von französischen und britischen
Kolonien. Sie verfügten kaum über genügend Ressourcen, sich gegen
eine Invasion anderer Kolonialmächte zu behaupten. Dies hielt jedoch
Offiziere wie Lettow-Vorbeck in Ostafrika oder Joachim von Heydebreck
in Südwestafrika nicht davon ab, ihre eigene Rolle in diesem Krieg
zu definieren. Am 15. August überschritten deutsche Truppen die
Grenze zu Britisch-Ostafrika und besetzten den kleinen Grenzort
Taveta. Am 14. September eroberten die Deutschen die südafrikanische
Enklave in der Walfischbucht. Damit waren auch aufseiten der
Deutschen die Weichen auf Krieg gestellt.
Das Ziel der
alliierten Militärkationen war in den ersten Kriegsmonaten die
Kontrolle der Hafenstädte und Funkanlagen. Am 26. August erreichten
britische Truppen die Funkstation im togolesischen Kamina. Vor der
Kapitulation am selben Tag hatten die Deutschen den Funkmast
zerstört. Am 8. August beschossen britische Kriegsschiffe den
Funkturm im ostafrikanischen Daressalam. Der Gouverneur Heinrich
Schnee hat die Stadt zur offenen Stadt deklariert, die Briten
unternahmen dennoch keinen Landungsversuch. In Südwestafrika
beschoss die britische Navy am 14. September die Funkstation von
Swakopmund, drei Tage später landeten südafrikanische Truppen in
der Lüderitzbucht. Angesichts dieser schnellen Erfolge weiteten die
Alliierten ihre Kriegsziele aus. Nunmehr ging es um die Eroberung der
deutschen Kolonien und eine Neutaufteilung der kolonialen Landkarte
Afrikas.
Doch der schnelle
Erfolg in Togo ließ sich nicht so einfach wiederholen.
Südafrikanische Truppen mussten eine empfindliche Niederlage bei
Sandfontein im September 1914 einstecken. In Kamerun leisteten die
Deutschen dem alliierten Vormarsch zunächst durchaus erfolgreich
Widerstand und drangen im April 1915 sogar auf nigerianisches
Territorium vor. Erst Mitte 1915 wendete sich das Blatt zugunsten der
Alliierten. Im Juni konnten die Briten einen wichtigen Sieg mit der
Einnahme des Forts von Garua erringen. Damit war der Weg ins
Landesinnere offen. In den folgenden Wochen fiel der Norden Kameruns
vollständig unter die Kontrolle der Alliierten, nur der Einbruch der
Regenzeit verhinderte für einigen Monate den Vormarsch der Briten
und Franzosen. Im Dezember nahmen die Alliierten ihren Vormarsch auf
Yaounde, der provisorischen Hauptstadt der Kolonie, wieder auf. Die
Deutschen hatten kaum noch über Munition und flohen in die spanische
Enklave von Riu Muni. Die entscheidenden Kämpfe auf dem
südafrikanischen Kriegsschauplatz fanden im Mai 1915 bei Karibib
statt, wo die Deutschen ihre Kräfte konzentriert hatten. Den
Südafrikaner gelang es die deutschen Stellungen zu umgehen. Um der
Einkesselung zu entgehen, zogen sich die Deutschen zurück. Sie
ließen dabei einen Großteil ihrer Ausrüstung und Zuversicht
zurück. Damit war der Weg ins Innere für die Südafrikaner frei. Am
12. Mai fiel Windhuk und am 9. Juli ergaben sich die letzten
deutschen Truppen.
Nach dem Sieg in
Südwestafrika wurden die südafrikanischen Truppen Anfang 1916 nach
Ostafrika verlegt. Hier hatten die Briten und Belgier bis dahin kein
Mittel gefunden, den deutschen Widerstand zu brechen. Eine Landung
von mehr als 8.000 Soldaten in der nördlichen Hafenstadt Tanga
Anfang November 1914 war in einem Desaster geendet, das in den
Annalen der britischen Kriegsgeschichte lange als eine ihrer größten
Niederlagen galt. In den folgenden Monaten übernahm Lettow-Vorbeck
die strategische Initiative. Durch begrenzte Offensiven gegen
belgische und britische Stellungen verhinderte er jede weitere
Offensivaktion der Alliierten. Am 12. Februar 1916 übernahm Jan
Smuts, der in Deutsch-Südwestafrika mit großem Erfolg gegen die
Deutschen gekämpft hatte, das Kommando in Ostafrika. Die alliierte
Offensive begann noch am selben Tag. Neben den Südafrikanern standen
indische, britische und einige ostafrikanische Einheiten unter seinem
Kommando. Die Belgier stellten ein Expeditionskorps unter dem
Kommando von Charles Tombeur auf, das vom Westen her angreifen
sollte. Im British-Nyassaland, dem heutigen Malawi, wurde ein
weiteres britisches Korps unter dem Kommando von Edward Northey
formiert. Insgesamt verfügten die Alliierten damit über mehr als
70.000 Soldaten. Ihnen standen etwa 14.000 Soldaten auf deutscher
Seite gegenüber, in der Mehrheit waren sie Ostafrikaner. Schon in
den ersten Wochen wurde Smuts klar, dass dieser Feldzug in nichts mit
seinen Erfahrungen in Südwestafrika zu vergleichen war. Erst nach
wochenlangen zähen Kämpfen, die unter den alliierten Truppen hohe
Verluste forderten, zogen sich die Deutschen aus dem Norden ihrer
Kolonie zurück. Die Taktik der schnellen Flankenvorstöße seiner
Kavalleristen, die Smut in Deutsch-Südwestafrika so erfolgreich
angewandt hatte, versagte aufgrund des taktischen Geschicks der
Deutschen und der klimatischen Bedingungen völlig. Als die
Südafrikaner im Mai 1916 die Mittellandbahn bei Mahenge erreichten,
hatten sie zwei Drittel ihrer Pferde verloren und kaum mehr als 3000
kampffähige Männer. Smuts vermied mit Rücksicht auf die Stimmung
in der Heimat direkte Angriffe auf die Deutschen und damit hohe
Verluste unter seinen Truppen. Diese taten ihm den Gefallen und
gingen mehr und mehr zu einer Taktik der gezielten Vorstöße kleiner
Einheiten über. Wenn auch die Deutschen in vielen dieser Gefechte
siegreich blieben, zehrten die Rückzugsgefechte an ihrer Kampfkraft
und -moral. Ende 1916 war der Zustand der deutschen Truppen mehr als
kritisch. Doch auch die Alliierten waren am Ende ihrer Kräfte. Nach
fast einem Jahr kam die alliierte Offensive zum Stillstand. Anfang
1917 übergab Smuts das Kommando an den Briten Hoskins. Dessen
Versuche, die Deutschen im Oktober zu einer letzten
Entscheidungsschlacht bei Mahiwa zu stellen, endeten in einem Fiasko.
Nahezu 2.500 Soldaten fielen auf britischer Seite in der
verlustreichsten Schlacht dieses Feldzuges. Das waren mehr als die
Hälfte der eingesetzten Truppen. Trotz ihres Sieges zogen sich die
Deutschen zurück und überquerten im November die Grenze zu
Portugiesisch-Ostafrika. Der Zug durch das portugiesische Territorium
war ein einziger Raubzug. Verfolgt von britischen Truppen zogen die
Deutschen von Ort zu Ort auf der Suche nach Munition und Nahrung.
Erst im September 1918 kehrten die Deutschen in ihre Kolonie zurück.
Am 25. November, fast zwei Wochen nach Ende der Kämpfe in Europa,
ergab sich Lettow-Vorbeck den Briten.
Der Krieg in Afrika
war nicht nur ein weiterer Kriegsschauplatz in einem europäischen
Krieg. Vielfach überlagerte sich der Krieg mit regionalen und
lokalen Konflikten. In Südwestafrika führte der Krieg zu einer
Wiederauflage des Burenkrieges als im Oktober burische Siedler gegen
die Regierung in Pretoria rebellierten und eine Allianz mit den
Deutschen schlossen. In Ostafrika sah der rwandische König im Krieg
eine Chance, die durch koloniale Grenzziehung seiner Kontrolle
entzogene Gebiete wieder an sich zu ziehen. Die in Europa neutral
gebliebenen Portugiesen waren bereits 1914 in den Krieg in Ost- und
Südwestafrika involviert, 1916 traten sie offiziell in den Krieg
ein. Auch ihnen ging es um die Neuziehung kolonialer Grenzen.
Anders als in
Europa, wo der Krieg sich bereits im September 1914 in einem
Stellungskrieg festlief, waren die Kampfhandlungen hier von mobilen
Kolonnen geprägt. Nur selten kam es zur Errichtung von Frontlinien
und zu wirklich größeren Gefechten. In der Regel waren einige
Hundert, selten mehrere Tausend auf beiden Seiten an den Kämpfen
beteiligt, die kaum über ein paar Stunden oder Tage hinausgingen.
Die wichtigste Waffen waren das Maschinengewehr und Gewehr,
großkalibrige Geschütze kamen nur in begrenztem Umfang zum Einsatz.
So montierten die Deutschen die Schiffskanonen des versenkten
Kreuzers Königsberg auf Lafetten, um sie im Landkrieg einzusetzen.
Der Transport dieser Geschütze war eine schier unlösbare Aufgabe,
die mit der Muskelkraft Tausender Afrikaner bewältigt werden musste.
In der Tat war der Transport die größte Herausforderung für alle
Kriegsparteien. Die Infrastruktur in den Kolonien war für einen
modernen Krieg nicht vorbereitet. Eisenbahnlinien und Straßen gab es
nur wenige. Der Einsatz von Fahrzeugen scheiterte oft an den
klimatischen Bedingungen, Lasttiere fielen der Tse-tse-Fliege zum
Opfer. Ersetzt wurde die fehlende Infrastruktur durch afrikanische
Träger, die vom Sack Reis bis zur Geschützlafette so ziemlich alles
auf ihrem Rücken trugen, was für diesen Krieg notwendig war. Allein
in Ostafrika rekrutierten die Briten etwa 750.000 Afrikaner zum
Trägerdienst und das waren nur die offiziellen Zahlen. Vielfach
wurden die Menschen aus ihren Dörfern entführt und zum Trägerdienst
gepresst ohne das sie in einer Statistik erfasst wurden. Bis zum Ende
des Krieges starben nach konservativen Schätzungen etwa 100.000
Träger an Erschöpfung, Krankheiten und Hunger. Einige Historiker
gehen von bis zu 300.000 Toten aus. Krankheiten waren auch die
häufigste Todesursache bei den Soldaten und Offiziere. Nur wenige
fielen der Kugel des Feindes zum Opfer. Offizielle Zahlen sprechen
von 4.902 Toten auf Seiten der Briten in Ostafrika. Historiker
vermuten allerdings, dass bis zu 20.000 Soldaten starben. Deutsche
Quellen geben etwa 2.000 Gefallene in ihren Reihen an. Bei der
Eroberung Togos fielen dagegen nur 83 Briten und 54 Franzosen. Die
Deutschen verloren 41 Soldaten.
Die afrikanische
Zivilbevölkerung musste für das europäische Schlachten auf ihrem
Boden einen hohen Preis zahlen. Genaue Opferzahlen sind bis heute
unbekannt. Allein in Ostafrika sollen mehr als 300.000 Zivilisten
infolge des Krieges ihre Leben. Doch die Zahlen dürften weitaus
höher sein. Ganze Landstriche waren verwüstet und die Bevölkerung
aus ihren Dörfern vertrieben. Ein Großteil der Infrastruktur war
von den Deutschen auf ihrem Rückzug zerstört worden.
Massenvergewaltigungen und Entführungen von Frauen prägten den
grausigen Alltag des Krieges. Hungersnöte wüteten auch noch Jahre
nach Ende des Krieges. 1918 erreichte die Influenza-Epidemie Afrika,
sie soll mehr als 17 Millionen Afrikanern das Leben gekostet haben.
Für die Afrikaner
war der Krieg kaum ein Großer Krieg für die Zivilisation oder
Demokratie, wie ihn die Alliierten bezeichneten, oder für den
Kaiser, wie die Deutschen ihn sahen. Für viele war er nur eine
Fortsetzung eines Krieges um die Neuordnung Afrikas, der zunächst
gegen die Afrikaner und dann zwischen den Europäern ausgefochten
wurde. Eine Friedensdividende bekamen die afrikanischen Soldaten und
Zivilisten, die mit ihrer Arbeit die Kriegsökonomie am Laufen
gehalten hatten, nicht. Eine medizinische Versorgung der Verwundeten
gab es kaum. Die Fürsorge für die Veteranen und ihre Familien
überließen die Verantwortlichen weitestgehend den Afrikanern
selbst. Auch politisch änderte sich wenig. Die kolonialen Grenzen
wurden neu gezogen, aber die Kolonialherren dachten nicht daran, den
Afrikanern mehr Mitsprache zu geben. Das Recht der Völker auf
Selbstbestimmung, das Woodrow Wilson zur Grundlage einer
Nachkriegsordnung machten wollte, wurde ihnen verweigert.
Kommentare
Kommentar veröffentlichen