Wie jeden Morgen nach seinem Dienstbeginn überquerte der
Grenzposten der King's African Rifles die Grenze zur deutschen
Kolonie, um bei seinem afrikanischen Kollegen von der anderen Seite
um eine Zigarette zu schnorren und sich den neuesten Tratsch
anzuhören. Kaum hatte er sich dem Posten auf der deutschen Seite
genähert, fiel ein Schuss und er brach tot zusammen. Der
diensthabende britische Offizier schreckte von seinem gemütlichen
Frühstück auf und eilte zum Ort des Geschehens. Der deutsche Askari
schoss nicht auf ihn, aber stand ihm auch nicht Rede und Antwort. Der
Brite verlangte nach seinem deutschen Vorgesetzten. Der ließ nicht
lange auf sich warten. Auf die Vorwürfe des Briten antwortete der
Deutschen knapp: „Es ist Krieg! Wissen sie das nicht?“
So schildert ein deutscher Zeitzeuge den ersten Kriegstoten in Ostafrika. Wie für den britischen Offizier war der Ausbruch des Krieges in den Kolonien für die meisten Europäer eine kaum vollstellbare Entwicklung. Sicher, Meldungen über den sich in Europa zusammenbrauenden Krieg hatten Ostafrika schon im Juli erreicht. Doch in den Kolonien sah man diese Ereignisse aus einer gewissen Distanz. Die Mehrheit der Europäer in den britischen und deutschen Kolonien vertraute auf die Regelungen der Kongo-Akte. Sie versprach den Kolonien Neutralität im Falle eines europäischen Krieges.
Selbst die Deutschen in Ostafrika, die gemeinhin als glühende Verfechter großdeutscher Politik galten, fielen in den ersten Tagen zwar in die Euphorie des „reinigendes Gewitters“ in Europa ein, waren aber mehr als zurückhaltend, wenn es um den Krieg in den Kolonien ging. Die deutsche Kolonialbewegung war Ende des 19. Jahrhunderts einer der wichtigsten Propagandisten einer Expansionspolitik des Kaiserreichs gewesen. Kolonialbesitz galt als eine Etappe auf dem Weg zur Weltmacht, auch um den Preis eines Konflikts mit England. Doch um die Jahrhundertwende änderte sich das. Die deutsche Öffentlichkeit zeigte sich weitestgehend resistent gegenüber einer aggressiven Kolonialpolitik. Nach einem Jahrzehnt aktiver Kolonialpolitik war die koloniale Euphorie größtenteils verflogen. Berichte über Aufstände, Kolonialskandale und Amtsmissbrauch dominierten das Bild von den deutschen Kolonien.
Auch in der deutschen Politik war Kooperation der Konfrontation mit England und Frankreich gewichen. Der Boxeraufstand von 1900 in China war eine wichtige Markierung dieses Wandels. Bei der Niederschlagung hatten die europäischen Kolonialmächte miteinander kooperiert. Deutsche hatten mit Franzosen, Briten und Russen diese Bedrohung der europäischen Weltordnung eingedämmt. In der deutschen Kolonialpolitik wurde dieser Wandel mit dem Amtsantritt von Bernhard Dernburg als erster Staatsekretär des 1905 geschaffenen Kolonialamts manifest. Er galt als ausgewiesener Bewunderer der britischen Kolonialpolitik. Mit ihm begann eine Politik des Dialogs und der Kooperation mit den Briten. Sein Nachfolger wurde 1911 Wilhelm Solfs, der diese Politik fortführen wollte. Vor Kriegsbeginn galt er als einer der wichtigsten deutschen Befürworter eines dauerhaften Friedens mit den Briten.
In der Kolonie Deutsch-Ostafrika waren spätestens seit dem Amtsantritt des Grafen Gustav Adolf von Götzen (1901-1906) die Verfechter einer Kooperation mit den britischen Nachbarkolonien in den Gouverneurspalast in Dar es Salaam eingezogen. Auch seine Nachfolger Georg Albrecht Freiherr von Rechenberg (1906-1902) und Heinrich Albert Schnee (1912-1918) pflegten enge Kontakte mit ihren britischen Nachbarn. Schnees Frau war sogar gebürtige Britin.
Die Kolonie selbts mochte ein Tummelplatz für strammkonservative Nationalisten sein, sie war aber auch durchaus ein kosmopolitischer Ort. Deutschen Beamte und Siedler hatten franzöische und britische Missionare oder griechische Händler als Nachbarn. In den Amtstuben saßen indische und zanzibarische Angestellte. Die Amtssprache der Kolonie war offiziell Swahili und inoffiziell war es eher Englisch als Deutsch. Man könne, so schimpfte ein deutscher Besucher der Kolonie, sich in den Zollstuben nur auf Englisch verständigen. Berichteten die Beamten und Offiziere über die Ereignisse in ihrem Amtsbezirk, dann schrieben sie meist von sich als Europäer. Aufstände gegen die Kolonialherrschaft nahmen sie als Gefahr für die europäische Ordnung war. Übergriffe auf französische oder britische Missionare wurde mit der gleichen Härte bestraft wie die auf einem deutschen Siedler. Kaum anderswo als ausgerechnet in den deutschen Kolonien war die Deutschen europäischer.
Der amtierende Gouverneur Schnee war ein erbitterter Gegner des Kriegs in den Kolonien. So im übrigen auch sein britischer Gegenüber, Sir Henry Belfield. Die Deutschen, so der Schnee, seien von den Alliierten umzingelt: im Norden von den Briten, im Westen von den Belgiern und im Süden wiederum von den Briten und dann gab es auch noch die Portugiesen. Abgeschnitten vom Heimatland werde es den Deutschen unmöglich sein, gegen einen übermächtigen Feind lange zu bestehen, argumentierte Schnee. Mit Belfield teilte er die Sorge um die Folgen des Krieges für die europäischen Kolonialordnung auf dem Kontinent. Wenn, wie zu erwarten, die koloniale Ordnung in den Wirren des Krieges zusammenbreche, bestehe die Gefahr, dass sich die Bevölkerung gegen die Europäer erheben werde. Neben dem Gouverneur und der Zivilverwaltung waren es vor allem Missionare und Siedler, die dem Krieg auf ostafrikanischem Boden wenig abgewinnen konnten. Selbst einige den Militärs sprachen sich gegen den Krieg aus.
Schnee war formell der Kommandeur der Schutztruppe. Telegramme aus Berlin, die ihm über den Ausbruch des Krieges informierten, schienen seine Haltung zu bestätigen. Das Kaiserreich, so seine Vorgesetzten in Berlin, denke nicht daran, den Krieg auf die Kolonien auszuweiten. So befahl der Gouverneur seinen Offizieren, jegliche offensive Handlung gegenüber den Briten zu unterlassen. Die Schutztruppe sollte sich ins Innere der Küsten zurückziehen und die Hafenstädte zu offenen Städten erklärt werden.
Am 8. August bombardierte die Royal Navy Dar es Salaam, die Hauptstadt der Kolonie, und zerstörte den dortigen Funkturm. Gleichzeitig verhängte die Navy eine Blockade über die Häfen der deutschen Kolonie. Von den Grenzen der Kolonie kamen beunruhigende Nachrichten: Einige Wochen war den Deutschen nicht klar, dass auch Belgien und damit der benachbarte Kongo zu den Kriegsgegnern gehören würden. Erst ein aus belgischer Gefangenschaft geflohener deutscher Kaufmann brachte den Behörden in der Kolonie die Meldung, dass auch das als neutral vermutete Belgien zu den Kriegsgegnern zu rechnen sei. Vom Einmarsch deutscher Truppen in Belgien hatte das Gouvernement bis dahin keine Kenntnis gehabt. Selbst als Nachrichten vom Krieg die Hauptstadt der Kolonie erreicht hatten, dauerte es mitunter mehrere Tage oder Wochen, bis diese Kunde auch in die entferntesten Winkel der Kolonie vorgedrungen war. Dass der Krieg dann auch in den Kolonien selbst ausgebrochen war, erfuhr ein deutscher Schiffskapitän auf dem Viktoria-See daher erst nach zwei Wochen und dies erst, nachdem ein englischer Dampfer sein Boot beschossen und die gesamte Besatzung gefangen genommen hatte.
In den nordöstlichen Bezirken formierten sich derweil erste Freiwilligenbataillone deutscher Siedler und Kaufleute. Hier besaß Tom von Prince, ein Veteran der Kolonialkriege und erbitterter Gegner Schnees, großen Einfluss. Prince war des öfteren mit der Kolonialverwaltung in Konflikt wegen seiner brutalen Behandlung seiner Plantagenarbeiter gekommen. Der ehemalige Offizier der Schutztruppe hatte einflussreiche Freunde in der Berliner Politik und im Militär. Einer seiner Freunde war Paul von Lettow-Vorbeck, der Anfang des Jahres zum Kommandeur der Schutztruppe in Ostafrika ernannt worden war. Wie Lettow-Vorbeck war Prince davon überzeugt, dass die Kolonien ihren Beitrag für einen deutschen Sieg im Krieg leisten müssten.
Am 15. August übertraten die Freiwilligeneinheiten die Grenze und eroberten den kleinen Posten Taveta. Auch in Ostafrika hatte der Krieg begonnen.
So schildert ein deutscher Zeitzeuge den ersten Kriegstoten in Ostafrika. Wie für den britischen Offizier war der Ausbruch des Krieges in den Kolonien für die meisten Europäer eine kaum vollstellbare Entwicklung. Sicher, Meldungen über den sich in Europa zusammenbrauenden Krieg hatten Ostafrika schon im Juli erreicht. Doch in den Kolonien sah man diese Ereignisse aus einer gewissen Distanz. Die Mehrheit der Europäer in den britischen und deutschen Kolonien vertraute auf die Regelungen der Kongo-Akte. Sie versprach den Kolonien Neutralität im Falle eines europäischen Krieges.
Selbst die Deutschen in Ostafrika, die gemeinhin als glühende Verfechter großdeutscher Politik galten, fielen in den ersten Tagen zwar in die Euphorie des „reinigendes Gewitters“ in Europa ein, waren aber mehr als zurückhaltend, wenn es um den Krieg in den Kolonien ging. Die deutsche Kolonialbewegung war Ende des 19. Jahrhunderts einer der wichtigsten Propagandisten einer Expansionspolitik des Kaiserreichs gewesen. Kolonialbesitz galt als eine Etappe auf dem Weg zur Weltmacht, auch um den Preis eines Konflikts mit England. Doch um die Jahrhundertwende änderte sich das. Die deutsche Öffentlichkeit zeigte sich weitestgehend resistent gegenüber einer aggressiven Kolonialpolitik. Nach einem Jahrzehnt aktiver Kolonialpolitik war die koloniale Euphorie größtenteils verflogen. Berichte über Aufstände, Kolonialskandale und Amtsmissbrauch dominierten das Bild von den deutschen Kolonien.
Auch in der deutschen Politik war Kooperation der Konfrontation mit England und Frankreich gewichen. Der Boxeraufstand von 1900 in China war eine wichtige Markierung dieses Wandels. Bei der Niederschlagung hatten die europäischen Kolonialmächte miteinander kooperiert. Deutsche hatten mit Franzosen, Briten und Russen diese Bedrohung der europäischen Weltordnung eingedämmt. In der deutschen Kolonialpolitik wurde dieser Wandel mit dem Amtsantritt von Bernhard Dernburg als erster Staatsekretär des 1905 geschaffenen Kolonialamts manifest. Er galt als ausgewiesener Bewunderer der britischen Kolonialpolitik. Mit ihm begann eine Politik des Dialogs und der Kooperation mit den Briten. Sein Nachfolger wurde 1911 Wilhelm Solfs, der diese Politik fortführen wollte. Vor Kriegsbeginn galt er als einer der wichtigsten deutschen Befürworter eines dauerhaften Friedens mit den Briten.
In der Kolonie Deutsch-Ostafrika waren spätestens seit dem Amtsantritt des Grafen Gustav Adolf von Götzen (1901-1906) die Verfechter einer Kooperation mit den britischen Nachbarkolonien in den Gouverneurspalast in Dar es Salaam eingezogen. Auch seine Nachfolger Georg Albrecht Freiherr von Rechenberg (1906-1902) und Heinrich Albert Schnee (1912-1918) pflegten enge Kontakte mit ihren britischen Nachbarn. Schnees Frau war sogar gebürtige Britin.
Deutsch-Britische Beziehungen: der Empfang des Herzogs von Connaught in Dar es Salaam, 19.5.1900 |
Die Kolonie selbts mochte ein Tummelplatz für strammkonservative Nationalisten sein, sie war aber auch durchaus ein kosmopolitischer Ort. Deutschen Beamte und Siedler hatten franzöische und britische Missionare oder griechische Händler als Nachbarn. In den Amtstuben saßen indische und zanzibarische Angestellte. Die Amtssprache der Kolonie war offiziell Swahili und inoffiziell war es eher Englisch als Deutsch. Man könne, so schimpfte ein deutscher Besucher der Kolonie, sich in den Zollstuben nur auf Englisch verständigen. Berichteten die Beamten und Offiziere über die Ereignisse in ihrem Amtsbezirk, dann schrieben sie meist von sich als Europäer. Aufstände gegen die Kolonialherrschaft nahmen sie als Gefahr für die europäische Ordnung war. Übergriffe auf französische oder britische Missionare wurde mit der gleichen Härte bestraft wie die auf einem deutschen Siedler. Kaum anderswo als ausgerechnet in den deutschen Kolonien war die Deutschen europäischer.
Der amtierende Gouverneur Schnee war ein erbitterter Gegner des Kriegs in den Kolonien. So im übrigen auch sein britischer Gegenüber, Sir Henry Belfield. Die Deutschen, so der Schnee, seien von den Alliierten umzingelt: im Norden von den Briten, im Westen von den Belgiern und im Süden wiederum von den Briten und dann gab es auch noch die Portugiesen. Abgeschnitten vom Heimatland werde es den Deutschen unmöglich sein, gegen einen übermächtigen Feind lange zu bestehen, argumentierte Schnee. Mit Belfield teilte er die Sorge um die Folgen des Krieges für die europäischen Kolonialordnung auf dem Kontinent. Wenn, wie zu erwarten, die koloniale Ordnung in den Wirren des Krieges zusammenbreche, bestehe die Gefahr, dass sich die Bevölkerung gegen die Europäer erheben werde. Neben dem Gouverneur und der Zivilverwaltung waren es vor allem Missionare und Siedler, die dem Krieg auf ostafrikanischem Boden wenig abgewinnen konnten. Selbst einige den Militärs sprachen sich gegen den Krieg aus.
Schnee war formell der Kommandeur der Schutztruppe. Telegramme aus Berlin, die ihm über den Ausbruch des Krieges informierten, schienen seine Haltung zu bestätigen. Das Kaiserreich, so seine Vorgesetzten in Berlin, denke nicht daran, den Krieg auf die Kolonien auszuweiten. So befahl der Gouverneur seinen Offizieren, jegliche offensive Handlung gegenüber den Briten zu unterlassen. Die Schutztruppe sollte sich ins Innere der Küsten zurückziehen und die Hafenstädte zu offenen Städten erklärt werden.
Der Gouverneurspalast nach dem Beschuss durch britische Kriegsschiffe |
Am 8. August bombardierte die Royal Navy Dar es Salaam, die Hauptstadt der Kolonie, und zerstörte den dortigen Funkturm. Gleichzeitig verhängte die Navy eine Blockade über die Häfen der deutschen Kolonie. Von den Grenzen der Kolonie kamen beunruhigende Nachrichten: Einige Wochen war den Deutschen nicht klar, dass auch Belgien und damit der benachbarte Kongo zu den Kriegsgegnern gehören würden. Erst ein aus belgischer Gefangenschaft geflohener deutscher Kaufmann brachte den Behörden in der Kolonie die Meldung, dass auch das als neutral vermutete Belgien zu den Kriegsgegnern zu rechnen sei. Vom Einmarsch deutscher Truppen in Belgien hatte das Gouvernement bis dahin keine Kenntnis gehabt. Selbst als Nachrichten vom Krieg die Hauptstadt der Kolonie erreicht hatten, dauerte es mitunter mehrere Tage oder Wochen, bis diese Kunde auch in die entferntesten Winkel der Kolonie vorgedrungen war. Dass der Krieg dann auch in den Kolonien selbst ausgebrochen war, erfuhr ein deutscher Schiffskapitän auf dem Viktoria-See daher erst nach zwei Wochen und dies erst, nachdem ein englischer Dampfer sein Boot beschossen und die gesamte Besatzung gefangen genommen hatte.
Deutsche Freiwillige zu Beginn des Krieges (aus Dobertin 1932) |
In den nordöstlichen Bezirken formierten sich derweil erste Freiwilligenbataillone deutscher Siedler und Kaufleute. Hier besaß Tom von Prince, ein Veteran der Kolonialkriege und erbitterter Gegner Schnees, großen Einfluss. Prince war des öfteren mit der Kolonialverwaltung in Konflikt wegen seiner brutalen Behandlung seiner Plantagenarbeiter gekommen. Der ehemalige Offizier der Schutztruppe hatte einflussreiche Freunde in der Berliner Politik und im Militär. Einer seiner Freunde war Paul von Lettow-Vorbeck, der Anfang des Jahres zum Kommandeur der Schutztruppe in Ostafrika ernannt worden war. Wie Lettow-Vorbeck war Prince davon überzeugt, dass die Kolonien ihren Beitrag für einen deutschen Sieg im Krieg leisten müssten.
Tom von Prince mit seiner Frau |
Am 15. August übertraten die Freiwilligeneinheiten die Grenze und eroberten den kleinen Posten Taveta. Auch in Ostafrika hatte der Krieg begonnen.
Kommentare
Kommentar veröffentlichen