Bericht über ein Patrouillengefecht bei Mbuyuni an der Strasse Taveta - Voi, 8.9.1914

Wie im Süden waren auch im Nordosten der Kolonie, das wenig später zum Hauptschauplatz der Kämpfe des Jahres 1914 werden sollte, die ersten Wochen von Scharmützeln zwischen Aufklärungspatrouillen gekennzeichnet. Mitte August hatten deutsche Truppen den Ort Taveta auf der britischen Seite eingenommen, den sie bis Mitte 1916 kontrollierten. Der strategisch wichtige Ort bildete die Ausgangsbasis für viele Unternehmungen der Deutschen in den nächsten Monaten.

Der Gefechtsbericht schildert den eher zufälligen Zusammenstoß deutscher und britischer Patrouillen. Den Deutschen gelingt es neben ein paar Gewehren auch ein Motorrad zu erbeuten. Das ist ein interessanter Hinweis auf die Ressourcen der Deutschen. Ohne die von den Briten erbeuteten Waffen und Ausrüstungsgegenstände hätten diese diesen krieg nie so lange führen können. Der Bericht schildert auch das Beutemachen der Askari. Der deutsche Offizier kann oder will sich hier offensichtlich nicht durchsetzen und muss die Verfolgung des flüchtenden Feindes aufgeben. Was der Offizier als eine den "Eingeborenen überkommener Gewohnheit" bezeichnet, ist ein wichtiger Hinweis auf die Grenzen der Macht seitens der deutschen Offiziere

Eine deutsche Patrouille n der Nordgrenze der Kolonie (Quelle: Sibley 1971)




BERICHT

Über das am 8. September 1914 stattgehabte Patrouillengefecht bei Mbuyuni an der Strasse Taveta - Voi.
Führer: Oberleutnant d. K. Dransfeld.
Gegner: 3 englische Europäer und eine Anzahl engl. Askari
Himolager, den 1.9. 1914.

Befehl:
1. Einer Askarimeldung zufolge ist östlich Eloldorobo gestern ein Automobil mit Europäer und Askari gesehen worden.
2. Oberleutnant Dransfeld erhält Befehl, morgen früh 4° vorm. nach dem Eloldorobo abzumarschicrcn, sich mit der Abteilung Kluge in Verbindung zu setzen und die Aufklärung im Vorgelände Eloldorobo Richtung Voi zu übernehmen, feindliche Aufklärung auf das energischste zu verwehren. Zu seiner Verfügung Leutnant v. Schrötter und auf Anfordern nach eigenem Ermessen Askari der Abteilung Kluge.
3. …...............................................................................
4. Oberleutnant Dransfeld sucht den Ort des Zusammenstoßens der Patrouille Schodstaedt mit einer englischen Patrouille auf und meldet über Spuren pp. Als Führer zur Verfügung ein Askari der Patrouille Schodstaedt.
Stärke: 2 Europäer
11 Askari der Abteilung Kluge (Polizei-Askari der damaligen Kompagnie Büll.)
gez. Dransfeld Oberleutnant d. R.

BERICHT

1. Oertlichkeit: Der Zusammenstoss mit dem Gegner fand statt bei Mbuvuwandege. gewöhnlich Mbuyuni genannt, an der Strasse Eloldorobo-Voi. Diese Strasse führt nicht, wie die 1: 300000 Karte meines Erachtens irrtümlich angibt, nahezu geradlinig von Westen nach Osten, sondern biegt östlich Eloldorobo stark nach Südosten ab, mündet dann (östlich Lanjoro-ndogo) in die auf der Karte eingetragene Rute „Mover“ 87, der sie im wesentlichen bis Mbuyuni folgt. Mbuyuni. Raststelle an der Strasse Tavctn Voi, nnch einigen dort stehenden karakteristischen Buyus (Affenbrotbäumen) so genannt, liegt in einer breiten nach der Mitte talförmig sich senkenden, von Westen nach Osten etwa 2 1/2 km sich ausdehnenden annähernd baumlosen Grassteppe (buga). Im Westen und besonders im Osten säumt ziemlich dichter Busch die Steppe ein. Im östlichen Buschrand versteckt etwas südlich der Strasse befand sich das englische Lager.

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2. Gefecht: Befehlsgemäss brach ich am 2. September in der Frühe mit Leutnant Frhr. v. Schrötter, einem Askari als Führer und einigen Trägern von Himolagor auf und erreichte über Taveta und Eloldorobo marschierend etwa 4° nachm, an der Stelle der späteren Wasserstation II (7 km vor Mbuyuni) die kurz vorher dort eingetroffene Abteilung Kluge. Ich beschloss sogleich am andern Morgen weiter vorzugehen, um insbesondere den Ort des Zusammenstosses der Patrouille Schodstaedt mit dem Gegner aufzusuchen, der nach der Beschreibung des als Führer mitgegebenen Askari bei Mbuyuni liegen musste.
Gegen 7° vorm, trat ich auf der Strasse den Vormarsch an, Leutnant v. Schrötter und -I Askari als Spitze voraus. Kurz nachdem die Patrouille den Westrand der Steppe von Mbuyuni hinter sich gelassen hatte, wurden von der Spitze vor dem Ostrand der Buge nördlich der Strasse 2 als Askari angesprochene Gestalten bemerkt. Die Spitze nahm sofort Marschrichtung auf sie. Bald darauf verschwanden die beiden im Waldrande, ohne dass sie wahrscheinlich von der Abteilung etwas bemerkt hatten. Ihnen folgend drang die Abteilung eine Strecke weit in dem Dickicht vor und bog dann, um die Strasse wieder zu gewinnen, in südöstlicher Richtung ab. Die gegen 9° aus dem Busch heraustretende Spitze sah jenseits der Strasse einen Eingeborenen stehen, auf den sie sofort im marschmarsch zueilte um ihn festzunehmen. Fast gleichzeitig wurden in derselben Richtung tiefer im Busch die Köpfe zweier englischer Europäer sichtbar, die vollkommen überrascht dem „hands up“ des Leutnants v. Schrötter sofort Folge leisteten. In diesem Augenblick kam noch auf der Strasse von Voi her ein Motorradfahrer heran. Ohne sich zu besinnen stürzte Leutnant v. Schrötter mit gefälltem Seitengewehr ihm entgegen. Der Engländer stoppte sofort und wurde vom Rade weg gefangen genommen. Das alles spielte sich in wenigen Sekunden ab. Inzwischen mit der übrigen Abteilung auf das Hurra der Spitze herangeeilt, machte ich mich sofort daran die beiden Engländer festzunehmen. Diese waren jedoch verschwunden. Sie hatten, als die allgemeine Aufmerksamkeit dem herankommenden Motorfahrer sich zuwandte, den günstigen Augenblick zur Flucht benutzt. Die Verfolgung blieb leider erfolglos. Vor allem waren die Engländer in dem dichten Busch hinnen kurzem ausser Sicht gelangt. Dazu gewannen sie einen erheblichen Vorsprung durch folgenden Zwischenfall. Bei Beginn der Verfolgung traf die Schützenlinie auf das Zeltlager der Engländer mit 2 weiteren Motorrädern und Ausrüstungsgegenständen aller Art. Während ich nun den Askaris vorauseilend, annahm, sie würden mir folgen, hatten fast alle nach aus den Eingeborenen überkommener Gewohnheit sich auf die Beute gestürzt. Es kostete ziemliche Mühe, die um Decken. Teller und dgl. Streitenden wieder in Ordnung zu bringen. Die so gestörte Verfolgung liess wenig

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Aussicht auf Erfolg und wurde deshalb mit einigen nachgesandten Schüssen abgebrochen. Da überdies auch der gefangene Europäer, merkwürdiger Weise ein Italiener, erklärt hatte, sobald der Verlust der Motorräder bemerkt worden würde, würde sofort ein mit Askari besetztes Automobil von Makatau oder Bura aus versuchen, uns die Beute wieder abzujagen, war in erster Linie darauf Bedacht zu nehmen, die Gefangenen (ausser dem Europäer noch ein Eingeborener) und die für unseren Nachrichtendienst offenbar sehr wertvollen Motorräder in Sicherheit zu bringen. Zunächst wurden die im englischen Lager Vorgefundenen Ausrüstungsstücke und Nahrungsmittel, soweit sie von den Askari nicht mitgenommen werden konnten, an Ort und Stelle vernichtet oder unbrauchbar gemacht. Während dann Leutnant v. Schrötter den Transport übernahm, deckte ich mit dem Rest der Askari den Rückmarsch bis ins Lager der Wasserstelle II; dort langte die Patrouille 11 1/2 Uhr vorm, wieder an. Von Wasserstelle II ab überführte Leutnant v. Schrötter Gefangene und Motorräder noch am gleichen Tage bis Taveta. Dadurch wurde der wahrscheinliche Versuch der Engländer durch den Überfall des Postens Eloldorobo in der folgenden Nacht die Räder wieder in ihren Besitz zu bringen, von vornherein vereitelt.
Gesamtergebnis: 2 Gefangene, 3 Motorräder, 2 Gewehre mit Munition, eine Pistole mit zugehöriger Munition.
gez. Dransfeld Oberleutnant d. R.

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