Bericht über die Eroberung Tavetas auf britischem Gebiet, 15.8.1914

Dies ist der Bericht über die erste Offensivaktion der Deustchen in Ostafrika: der Einahme des Grenzdorfes Taveta. Laut dem Bericht kam der Befehl für den Angriff auf Taveta von Tom von Prince. Er wurde dem Hauptmann Hering mündlich übermittelt. Zu dieser Zeit waren auf deutscher Seite die Würfel für den Krieg noch nicht gefallen. Gouverneur Heinrich Schnee hatte seinen Offizieren befohlen, sich jeder Provokation der Briten zu enthalten. Er wollte den Ausbruch von Kampfhandlungen in der Kolonie vermeiden. Lettow-Vorbeck war jedoch fest entschlossen, den Krieg auch in Ostafrika zu führen. Tom von Prince war ein alter Freund Lettow-Vorbecks. Beide kannten sich aus ihrer gemeinsamen Zeit in der Kadettenanstalt. Prince, ein gebürtiger Brite, war ein Veteran der Kolonialkriege und wie Lettow-Vorbeck überzeugt, dass die Deutschen auch in Ostafrika einen wichtigen Beitrag zum Sieg der Deutschen in diesem Krieg leisten müssten. Notfalls auch gegen den Willen des formellen Oberkommandierenden der Schutztruppe, dem Gouverneur Heinrich Schnee. 

Prince, der sich nicht an die Weisungen Schnees gebunden fühlte, war maßgeblich für den Ausbruch von Kämpfen an der Nordgrenze verantwortlich. Lettow-Vorbeck hatte Prince Anfang August mit der Bildung von Freiwilligeneinheiten aus deutschen Siedlern beauftragt. Sie sollten das Rückgrat der deutschen Truppen im Norden der Kolonie bilden. 

Doch es kam, wie der Bericht sehr schön zeigt, anders.  An dem Gefecht waren neben den regulären  Feldkompanien auch eine aus deutschen Freiwilligen bestehende Kompanie sowie eine Abteilung von ruga-ruga (afrikanische Krieger) beteiligt. Die Europäerkompanie aber war an den Kampfhandlungen kaum beteiligt, weil sie sich auf dem Weg nach Taveta verirrt hatte. Die Hauptlast der Kämpfe trugen die Askari. Taveta war militärisch zwar ein Erfolg, auch wenn der Widerstand der Briten gering war. Es war aber auch ein Blamage für die Freiwilligeneinheiten. Lettow-Vorbeck zog wenige Wochen später die Konsequenzen aus dieser Blamage und löste die Einheiten auf. Die Deustchen wurden auf die regulären Einheiten der Schutztruppe verteilt.  





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Bericht über das bei Taveta am 15. August 1914 stattgehabte Gefecht.



Führer: Hauptmann Hering.
Gegner: Stärke unbekannt. 


In der Nacht vom 13. zum 14. erhielt ich von Hauptmann v. Prince den mündlichen Befehl, sofort nach dem Himolager vor -

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zugehen, dort das Kommando über den unter Feldwebel Bast vorgeschobenen Zug Askari zu übernehmen und, wenn möglich, im Morgengrauen Taveta zu besetzen. Die Abteilung des Leutnant
Boell, ein Zug Askari, ein Maschinengewehr, sollte versuchen, von Moschi nach Taveta durchzumaschieren und in ein sich etwa entspinnendes Gefecht einzugreifen. Der Angriff sollte nur geschehen auf Grund sicherer Nachrichten über die Stärke des Gegners; das erste Unternehmen deutscher Waffen dürfte in keinem Falle mit einer Niederlage enden. Am Himolager angekommen, übernahm ich das Kommando und verhinderte das weitere Vorgehen der bereits von Oberstleutnant a. D. v. Bock in Bewegung gesetzten Truppen, weil v. Bock mir weder über die Stärke des Feindes Auskunft geben konnte und auch keine Aussicht hatte, vor 7 Uhr vorm. Taveta zu erreichen. Ich liess die Truppen — auch die inzwischen angekommene Abteilung Boell — vom Wege abbiegen und hinter dem Hügel, etwa 500 m nordwestlich des deutschen Grenzpostens, aufmarschieren und lagern. Ich schickte Befehl nach hinten, die Verpflegung heranzuziehen, während ich selbst vorging, um die Stellung des Gegners zu erkunden. Von dem vorliegenden Hügel, der das Gelände um etwa 300 m überragt, war der Weg nach Taveta. Taveta selbst und die Serengetisteppe weit zu übersehen. In Taveta wurde vor der Borna gearbeitet. Es waren ausgehobene Gräben zu erkennen, die Umgebung der Häuser war gereinigt. Nördlich der Borna, dort, wo mir von Landmesser Unfried gesagt wurde, dass die Tavetabrücke läge, glaubte ich 10—12 Zelte zu erkennen. Der sogenannte Missionshügel, auf dem 2 Wellblechhäuser standen, schien von einer Verschanzung umgeben zu sein. An verschiedenen Stellen wurde gebrannt. Ich bestellte hierauf die Unterführer und alle der Gegend Kundigen zu 4 ½ Uhr nachm, auf der deutschen Grenzposten. Wir glaubten alle, von dort die oben erwähnten Zelte zu erkennen und stellten fest, dass mit zahlreichen Leuten vor dem Hause des Commissionars gearbeitet und geschanzt wurde. Nachrichten über die Stärke des Feindes waren nicht zu erhalten. Ich schickte nun nach eingetretener Dunkelheit 2 Patrouillen gegen die nördlich und südlich von Taveta gelegenen Lumibrücken, weil mir gesagt worden war, der Lumifluss wäre
nur an den Brückenstellen zu überschreiten und der Gegner könne an keiner anderen Stelle über den Fluss entkommen. Die nördliche Patrouille, Leutnant a. D. Molter, sollte gegen die gesehenen
Zelte und die Brücke aufklären, sich unter keinen Umständen sehen lassen und der am nächsten Morgen auf die Brücke vorgehenden Abteilung als Führer dienen. Die südliche Patrouille
sollte die Brücke aufsuchen und sich dort so festsetzen, dass sie bei beginnendem Tageslicht ein Ueberschreiten der Brücke verhindern könnte. Diese Patrouille sollte dort lagern.

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Ich halle um 3 Uhr nachm, nun durch Radfahrer an das Kommando Hauptmann v. Prince einen Bericht geschickt, in dem ich schrieb, dass ich beabsichtige, am nächsten Morgen Tavela anzugreifen und dass ich bäte, die Europäerkompagnie so rechtzeitig in Marsch zu setzen, dass sie mit Tagesanbruch in einer Aufnahmestellung an der Grenzboma bereit stehen könnte. Am 15. August 3 Uhr 30 morgens standen die Askari unter Feldwebel Bast und Leutnant Boell au der Grenzboma bereit. Die Europäerkompagnie wurde mir im Anmarsch gemeldet und traf kurz darauf ebenfalls ein. Munition der Europäer und Hilfskrieger war noch zurück. Von der zurückkehrenden Patrouille Molter erhielt ich die Meldung, dass sie sich verirrt, von Brücken und Zelten nichts gesehen hätte, von feindlichen Patrouillen gejagt worden wäre und auf dem Rückweg einen Zusammenstoss mit der englischen Grenzwache gehabt hätte, bei dem Schüsse gefallen wären. Die Grenzwache wäre entlaufen. Der Gegner war also gewarnt. An Ueberraschung war nicht mehr zu denken und ich beschloss mit Rücksicht darauf, dass irgend welche Meldung über die Stärke des Feindes nicht zu erhalten gewesen war, auch die Europäcrkoinpagnic im Gefechte zu verwenden. Ich gab folgenden Gefechtsbefehl:
1. Der Gegner steht mit 10 – 13 Zelten an der Brücke nördlich Taveta. Um die Borna und die angrenzenden Gebäude ist gestern geschanzt und gebrannt worden.
2. Die Askarikompagnie, Führer Leutnant Boell, geht um 4 Uhr vortm. gegen die Brücke nördlich Taveta vor, rechter Flügel 200 m nördlich vom Wege nach Taveta. Maschinengewehr folgt rechts rückwärts gestaffelt. Als geländekundiger Führer geht Vizefeldwebel Unlried mit. Die Brücke ist zu besetzen und die Kompagnie geht dann in entwickelter Front nach Süden gegen die Askarihäuser und die Boma vor, um das Entweichen des Gegners zu verhindern. Die Europäerkompagnie geht in Richtung auf die Boma Taveta vor. Marschrichtung der hell sichtbare Morgenstern. Antreten 4.30. Die Kompagnie geht bis auf Sehweite gedeckt an die Boma heran und schiesst nicht, bevor Befehl zum Feuern gegeben wird. Herr Oberstleutnant v. Bock wird den Gegner zur Uebergabe auffordem. Die Kompagnie sucht dann Anschluss an die Askarikompaguie.
3. Die Ruga-Ruga gehen zur Hälfte unter Leutnant v. Zawadzky der Europäerkompagnie voraus, die andere Hälfte folgt auf dem rechten Flügel der Europäerkompaguie, rechts rückwärts gestaffelt mit 200 m Abstand.
4. Die Munition folgt mit gefechtsmässigem Abstand von 300 m der Europäerkompagnie. Führer Oberleutnant Götze.

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5. Sanitätsdetachement folgt auf der Strasse der Munitionskolonne unmittelbar. Ich werde mich beim Maschinengewehr befinden.

Die Askarikompagnie trat, wie befohlen, in Marschformation (Zug Unfried vorne) mit vorgeschobener Sicherung an. 5.15 erhielt die Kompagnie etwa 500 in nordwestlich der Boma Taveta vereinzeltes Feuer auf ca. 250 m. Der 2. Zug Bast wurde zur Sicherung der rechten Flanke in der angegebenen Richtung vorgeschickt. Der Vormarsch auf die Brücke wurde weiter fortgesetzt. Gleich darauf erhielt auch die Spitze von vorn aus östlicher Richtung einige Schüsse. Der Zug Unfried erhielt Befehl, unter möglichster Geländeausnützung sich in den Besitz der Brücke zu setzen. Der 3. Zug Giese ging in Richtung der eben gefallenen Schüsse vor, fand aber die Stelle leer. Ein tätlich verwundeter feindlicher Hilfskrieger wurde vorgefunden. Von dort ging der Zug 300 m nördlich der Boma über die beiden kleinen Hügel in Richtung auf den Fluss durch das Schenzidorf, dessen Einwohner nach einem Uebergang flüchteten. Der 4. Zug Klosinski besetzte die beiden Hügel.

Die Europäer-Kompagnie, Führer Oberleutnant Gähtgens, trat entwickelt in Richtung auf den bezcichncten Morgenstern an. Es war befohlen worden, entwickelt vorzugehen, weil wahrscheinlich war, dass eine Verstärkung des englischen Grenzpostens stattgeflinden haben würde. Die Kompagnie stiess nach ständigem Marsche auf ein undurchdringliches Dickicht, machte links um und zog sich am Dickicht entlang etwa 600 m in nördlicher Richtung. Au einer Stelle wurde mit Buschmessern ein Weg gebahnt, auf dem das Hindernis überwunden wurde. Hierauf wurde gesammelt und unter Vornahme einer Spitze in östlicher Richtung vorgegangen, da inzwischen der Morgenstern durch Nebel verdeckt war. Trotz sorgfältiger Orientierung war in dem dichten Pori nichts zu erkennen. Bei dem Weitermarsch nach Osten stiess die Europäerkompagnie auf das Maschinengewehr, dessen Munitionsträger zum grössten Teil entlaufen waren. Das Maschinengewehr schloss sich dem Vormarsch an. Ich selbst wartete das Antreten der Europäerkompagnie ab und folgte mit etwa 200 m Abstand auf der Strasse. Nach ½ Stunde waren die beiden Verbindungsleute verschwunden. Ich schickte den Reiter Kallmayer vor, um festzustellen, wo die Europäerkompagnie wäre. Kallmayer kam zurück und meldete, er habe sie etwa 300 m vor mir gesehen. Gleichzeitig machte Kallmayer darauf aufmerksam, dass 300 m westlich der Boma Taveta am Wege ein Mbuju stände, über den vorläufig

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nicht herausgegangen werden dürfte. Wir gingen so lange vor, bis es anfing, etwas heller zu werden und machten Halt. In diesem Augenblick sahen wir etwa 80 m südlich der Strasse den von Kallmayer erwähnten Affenbrotbaum, an dem wir in der Dunkelheit vorbeigegangen waren. Etwas vor mir, südlich der Strasse, sah ich eine Reihe von Schätzen in Feuerstellung liegen. Ich forderte Oberstleutnant a D. von Bock auf, nunmehr, wenn er wolle, vorzureiten und den Commissionar zur Uebergabe auizufordern. Herr v. Bock setzte sich auf sein Pferd und hatte die weisse Flagge noch nicht entfaltet, als ein Schuss fiel, dem gleich darauf 6 – 10 weitere Schüsse folgten. Die Schüsse kamen aus den Fenstern der Borna Taveta. Auf die Schüsse sprang alles auseinander und ging in Feuerstellung. Ich schickte nun Kallmayer nach rechts zur Europäerkompagnie mit dem Befehl, gegen die Boma vorzugehen und sie von hinten, von Süden und Westen zu umfassen. Kallmayer kam zurück und sagte, er könne die Europäerkompagnie nicht finden, es wären nur die Ruga-Ruga vorne. Ich lief nunmehr nach links, um die Askarikompagnie, die ich dort in Rufweite vermutete, heranzuziehen und stiess hierbei auf den vorgehenden Zug Bast, dem ich die nötigen Befehle gab. Die Askari gingen abwechselnd sprungweise vor und waren in kurzer Zeit an der Boma, die geräumt war. Es waren vom Feinde ca. 30 Schüsse abgegeben worden. Bei den ersten Schüssen war der Gefreite Bröcker vom Pferde geschossen worden. Stabsarzt Dr. Müller liess den Verwundeten auf den hinter dem Mbuju errichteten Verbandplatz schaffen, von dort, nach Einnahme der Borna, in die Boma selbst, wo 2 Zimmer als Verbandplätze eingerichtet wurden. Nach der Besetzung von Taveta wurden sofort Patrouillen an 3 Stellen gegen den Fluss vorgeschickt, um den im Busch versteckt liegenden Gegner ganz zu verjagen und die sich sammelnde Truppe zu sichern.
Die Europäerkompagnie war inzwischen an die Strasse nach Taveta gelangt und ging auf ihr weiter bis auf 600 m vor Taveta, wo sie durch Meldereiter erfuhr, dass Taveta schon genommen wäre. Beim Absuchen des Busches waren 3 feindliche Askari und 1 deutscher Askari schwer verletzt worden. Unter dem Schutze der vorgeschobenen Patrouillen wurde 2 Stunden geruht und dann gegen die Brücke vorgegangen, um den dichten Galleriewald jenseits des Flusses nach Feinden zu durchsuchen. Die hierbei gefundenen Schwarzen waren unbewaffnet. Ich gab ihnen und einigen sich später einfindenden Wakamba Zettel mit, auf denen ich bemerkt hatte, dass die Deutschen nur Krieg mit den Engländern, aber nicht mit den Eingeborenen führten. Hierauf wurde der Rückmarsch nach der Boma angetreten.

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Gegen 2 Uhr traf die Verpflegung fllr die Truppe ein. Es wurde abgekocht und Lager bezogen. Auf die Nachricht, dass in Uferbüschen noch fortgesetzt feindliche Patrouillen sich zeigten, liess ich das Maschinengewehr verdeckt in Stellung bringen und 100 Schüsse in den Galleriewald jenseits des Flusses abgeben. Für die Nacht wurden 2 tiefe Gräben, die innerhalb unserer Stellung waren, durch Vertiefen so eingerichtet, dass die Träger auch bei einem feindlichen Angriff sicher lagern konnten. Die Nacht verlief ruhig, bei der Brücke fielen einige Schüsse von unserer Seite. Der verwundete Gefreite Bröcker war im Laufe der Nacht gestorben und wurde in dem Schützengraben ca. 100 m vor dem Hause des Commissionars mit militärischen Ehren begraben. Ich befahl für den nächsten Morgen den Abmarsch des Detachements nach dem Himo. In Taveta sollte nur 1 Zug Askari verbleiben.
gez. Hering

Hauptmann


(Quelle: Deutsch-Ostafrika. Kaiserliches Gouvernement. n.d. [1914]. Zusammenstellung der Berichte über die in den August, September, Oktober 1914 stattgefundenen Gefechte der Kaiserlichen Schutztruppe für Deutsch-Ostafrika. Morogoro: Regierungsdruckerei.)

Rekrutierung von deutschen Freiwilligen in Dar es Salaam




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