Kurz
nach der Eröffnung der Kämpfe im Norden der Kolonie, begann
der Krieg auch an der Westgrenze der Kolonie. Diese bildete zu einem
großen Teil der Tanganyika-See. Hier stießen der belgische Kongo
und das britische Rhodesien
mit der deutschen Kolonie zusammen. Anfang August war das
Oberkommando der Schutztruppe und der Gouverneur noch im Unklaren, ob
Belgien zu den Kriegsparteien gehörte. Dass
auch Belgien in den Krieg eingetreten war, erfuhren nach Schnees
Angaben die Deutschen erst durch einen deutschen Kaufmann aus Ujiji
am Tanganyika-See, der aus belgischer Gefangenschaft geflohen war. Am
3. August marschierten deutsche Truppen in Belgien ein, bereits zehn
Tage später machte sich, Tausende Kilometer weiter südlich, ein
deutscher Dampfer auf, um belgische Positionen im Kongo zu
beschießen. Unter
deutschem Kommando stehende Truppen drangen zumindest für einige
Stunden auf belgisches Territorium vor. Der Bericht vermerkt nicht
den Befehlsgeber dieser Unternehmung, sie dürfte jedoch kaum im
Sinne des Gouverneurs gewesen sein. Dieser berief sich immer noch auf
die Kongo-Akte und hoffte, der Kolonie den Krieg zu ersparen. Doch
solche Scharmützel etablieren eine Routine des Krieges, die Schnee
nicht ignorieren konnte.
Für
die Anrainerkolonien war der Tanganyika-See von großer strategischer
Bedeutung. Er war die wichtigste Verkehrsader in der Region. Vor
allem für die Belgier war er ein wichtiger Verkehrsweg, der die 1910
fertigstellte Bahnlinie von Stanleyville nach Albertville mit dem
rhodesischen Abercorn verband. Abercorn war ein wichtiger
Verkehrsknotenpunkt, der die Region mittels einer Bahnlinie mit den
Häfen Südafrikas verband. Die Kontrolle über den See war daher ein
wichtiges Ziel für alle Kriegsparteien. Die Deutschen verfügten mit
ihren drei Dampfern, die „Kingani“, die „Hedwig von Wissmann“
und die „Götzen“ über die größten Schiffe auf dem See. Der Bericht beschreibt die Versenkung des belgischen Schiffes "Delcommune" durch den deutschen Dampfer "Hedwig von Wissmann"
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Bericht über Tätigkeit des Marinedetachements Kigoma sowie über Gefecht bei Lukuga am 22. 8.1914
14. 13. August. 4
Revolverkanonen auf dem Dampfer eingebaut und die Besatzung
eingeschifft. Ausser mir schifften sich ein: Leutnant z. S.
Odebrecht, 2 Unteroffiziere, 6 Mann für die 4 Geschütze, 1
Maschinistenmaat, 1 Artillerie-Mechaniker. Ferner waren an Bord: Der
Schiffsfflhrer, der Maschinist und 14 Schwarze als Besatzung. Als
ständiger Dampferschutz waren an Bord der Gefreite d. R. Zachmeyer
und 5 Askaris. Da der Dampferführer die belgische Küste nicht
kannte, nahm ich als Landeskundigen den Kriegsfreiwilligen Maerker an
Bord. Um 4 Uhr ging ich in See nach Udjidji. Dort kam der
Bezirksamtmann und der Eingeborenenrichter Dr. Dietrich an Bord mit
10 Askaris. Nach Aussage des Dr. Dietrich, der am Tage zuvor vom
Kongo zurückgekommen war, sollte der Dampfer sich im Norden des Sees
befinden. Ich ging zunächst nach Kalago (14. August), um Holz zu
nehmen und dampfte dann nach Norden an der deutschen Küste bis
Rumonge, um dort Erkundigungen einzuziehen. In der Nacht lief ich die
belgische Küste zwischen Baraka und Uvira an, setzte dort mittelst
Einbaums vollkommen ungesehen einige Leute unter Führung des
Leutnant z. S Odebrecht
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mit einem landes-
und ortskundigen Araber an Land und liess auf grössere Strecke die
Telephonleitung nach Uvira zerstören, sodass die Ankunft des
Dampfers an der belgischen Küste nicht nach Süden gemeldet werden
konnte. 15. August. Ich setzte die Fahrt unter der belgischen Küste
nach Norden fort. Am Morgen sah ich unter Land eine grosse Anzahl
Einbäume, scheinbar mit Askari besetzt. Da ich erfahren hatte, dass
die Belgier mittelst Einbäume grosse Truppenverschiebungen nach
Norden machten, beschloss ich, die Boote zu zerstören. Auf einen
ersten Schreckschuss flüchteten sämtliche Leute. Ich setzte beide
Schiffsboote mit Askari aus und liess die Boote, sowie nochmals die
Telephonleitung an dieser Stelle zerstören. Zur Einziehung näherer
Erkundigungen über Uvira ging ich nach Usumbura. Mittags ankerte ich
vor Usumbura. Der Assistent Wolf kam sofort an Bord und teilte mir
mit, dass der Dampfer nicht im Norden sei. Er hat einwandfreie
Nachrichten durch Ueberläufer und Araber. Ich beschloss nun, von
Norden an die belgische Küste systematisch abzusuchen. 16. August.
Bei Hellwerden passierten wir Baraka. Ein Europäer mit etwa 15
Askaris kam an den Strand gelaufen und legte sich in Schützenlinie.
Ich setzte die Fahrt nach Süden fort. 17. August. Bei Hellwerden
suchte ich die Inseln von Mtoa ab, passierte Mtoa. Auch hier
besetzten einige Askari eine Schützenstellung beim Passieren des
Dampfers. Gegen Mittag passierten wir Lukuga, wo 2 Kompagnien liegen
sollten. Beim Passieren der Reede sah ich, wie die Kompagnieen
geschlossen an den Strand rückten. Eine grössere Anzahl Europäer
versammelte sich ebenfalls am Ufer. Um 3 Uhr Nachmittags sah ich
südlich von Lukuga am Strand eine Dhau liegen, welche, wie wir
feststellen konnten, der D. 0. A. G. gehörte und einige Tage vorher
von den Belgiern beschlagnahmt worden war. Ich setzte sofort beide
Boote mit Askaris aus, die unter Führung von Leutnant z. S.
Odebrecht an Land fahren sollten. Am Ufer stellte sich ein Europäer
mit 5 Askaris schussbereit auf. Ich lies mit der 3,7 einen
Warnungsschuss ins Wasser feuern. Der Europäer und die 5 Askari
flüchteten augenblicklich. Meine Boote kamen ungehindert an Land und
brachten die Dhau längsseits. Die Dhau enthielt ausser einer
Safariausrüstung, Proviant und eine Anzahl Schriftstücke, aus denen
hervorging, dass ein „Chef de Poste“, Lemaire, die Aufgabe hatte,
bei Tembwe mit 5 Askari die Küste zu beobachten, ob feindliche
Truppen mittelst Fahrzeugen landen. Den Proviant requirierte ich, da
wir bereits Mangel hatten, die Privatsachen liess ich nach Durchsicht
in die Koffer packen und diese versiegeln. Die Koffer werde ich dem
Bezirksamt Udjidji ausliefern. Ich nahm die Dhau in Schlepp und
setzte die Fahrt an der Küste fort.
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18. August.
Vormittags lief ich Kirando auf der deutschen Küste an, um Holz zu
nehmen und hier die Dhau abzuliefern. Ich blieb den Tag über hier
liegen, um abends in See zu gehen und in der Nacht auf den vermutlich
in Vua liegenden Dampfer einen Handstreich zu unternehmen. Ich
verschaffte mir dazu einen grossen Einbaum.
19. August. Nachts 1 Uhr kamen wir an die belgische Küste an den Eingang einer tiefen Bucht, die mir als die von Vua bezeichnet wurde. Unter den grössten Vorsichtsmassregeln lies ich den Einbaum mit einer Besatzung von 10 Mann unter Führung von Leutnant z. S. Odebrecht die Bucht absuchen. Der Dampfer wurde nicht gefunden, da wir einige Meilen zu weit nördlich standen. Nach Vua noch in dieser Nacht zu gehen, war schon zu spät geworden. So lief ich wieder zur deutschen Küste, um ungesehen zu bleiben und ankerte den Tag über gegenüber von Vua. Abends ging ich
wieder in See.
19. August. Nachts 1 Uhr kamen wir an die belgische Küste an den Eingang einer tiefen Bucht, die mir als die von Vua bezeichnet wurde. Unter den grössten Vorsichtsmassregeln lies ich den Einbaum mit einer Besatzung von 10 Mann unter Führung von Leutnant z. S. Odebrecht die Bucht absuchen. Der Dampfer wurde nicht gefunden, da wir einige Meilen zu weit nördlich standen. Nach Vua noch in dieser Nacht zu gehen, war schon zu spät geworden. So lief ich wieder zur deutschen Küste, um ungesehen zu bleiben und ankerte den Tag über gegenüber von Vua. Abends ging ich
wieder in See.
20. August. Um 1 Uhr
nachts erreichte ich die belgische Küste und gegen 4 Uhr hatten wir
die Bucht von Vua gefunden. Die Bucht wurde abgesucht wie am
vorhergehenden Tage.
Der Dampfer lag nicht an seiner Pier. Obwohl dort ein Offizier und eine Kompagnie liegt, wurde auf belgischer Seite nichts bemerkt. Ich ging weiter nach dem Süden; um 7 Uhr standen wir
vor Moliro. Da nur 1 Europäer am Strand war, schickte ich den Kriegsfreiwilligen Maerker an Land, der die Auskunft mitbrachte, dass der Dampfer vor 2 Tagen von Vua nach dem Lukuga gegangen sei. Ich suchte weiter die belgische Küste ab, da ich auf die Nachricht ohne weiteres mich verlassen konnte. Abends ankerte ich vor Bismarckburg, nahm dort Holz, Proviant und ein 4 cm Geschütz an Bord, das der stellvertretende Bezirksamtmann dort nicht verwenden konnte. In der Nacht ging ich wieder in See, um an der belgischen Küste entlang nach Lukuga zu gehen.
Der Dampfer lag nicht an seiner Pier. Obwohl dort ein Offizier und eine Kompagnie liegt, wurde auf belgischer Seite nichts bemerkt. Ich ging weiter nach dem Süden; um 7 Uhr standen wir
vor Moliro. Da nur 1 Europäer am Strand war, schickte ich den Kriegsfreiwilligen Maerker an Land, der die Auskunft mitbrachte, dass der Dampfer vor 2 Tagen von Vua nach dem Lukuga gegangen sei. Ich suchte weiter die belgische Küste ab, da ich auf die Nachricht ohne weiteres mich verlassen konnte. Abends ankerte ich vor Bismarckburg, nahm dort Holz, Proviant und ein 4 cm Geschütz an Bord, das der stellvertretende Bezirksamtmann dort nicht verwenden konnte. In der Nacht ging ich wieder in See, um an der belgischen Küste entlang nach Lukuga zu gehen.
21. August. Bei Heil
werden passierte ich Moliro, gegen 9 Uhr Vua. Hier schickte mir der
Kommandant des Feldlagers einen Brief durch einen Parlamentär, dass
ich mich auf belgischem
Gebiet befände. Falls ich in meiner ihm feindlich erscheinenden Haltung verbliebe, würde er die Waffen gebrauchen. Durch den Askari, der mir den Brief überbrachte, erfuhr ich, dass der Dampfer vor 4 Tagen nach Lukuga gegangen sei und wieder zurückkomme. Ich fuhr ohne Antwort zu geben weiter. Unterwegs passierte ich einen Holzplatz des belgischen Dampfers. Ich ließ das Holz in Brand stecken. Die Nacht fuhr ich langsam weiter.
Gebiet befände. Falls ich in meiner ihm feindlich erscheinenden Haltung verbliebe, würde er die Waffen gebrauchen. Durch den Askari, der mir den Brief überbrachte, erfuhr ich, dass der Dampfer vor 4 Tagen nach Lukuga gegangen sei und wieder zurückkomme. Ich fuhr ohne Antwort zu geben weiter. Unterwegs passierte ich einen Holzplatz des belgischen Dampfers. Ich ließ das Holz in Brand stecken. Die Nacht fuhr ich langsam weiter.
22. August. Am
Morgen passierte ich den nächsten Holzplatz und lies auch hier das
Holz anstecken. Nachmittags ½ 2 Uhr sichtete ich den belgischen
Dampfer. Er hatte uns gleichfalls erkannt, kehrt gemacht und dampfte
mit äusserster Kraft nach
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Norden weg. Ich nahm
die Verfolgung auf. Gegen 4 Uhr erkannten wir, dass der Dampfer
unterhalb des Soldatenlagers von Liikuga auf den Strand gelaufen war.
Ich rechnete nur mit einem Widerstand von Gewehrschüßen, und wollte
diese mit den Revolverkanonen niederkämpfen und dann den Dampfer
abschleppen. An Bord hatte ich klar zum Gefecht gemacht. Die
Backbordgeschütze besetzt, die Askari an der Reling verteilt und die
freien Leute auf dem Sonnendeck hinter einer aus Hängematten
hergestellten Brüstung Stellung nehmen lassen. Als ich auf etwa 2000
m herangekommen war, wurde an Land am Strande ein mir nicht
sichtbares Geschütz abgefeuert. Die Granate ging dicht Ober den
Dampfer hinweg und schlug 50 m hinter uns ins Wasser. Unmittelbar
darauf begannen mehrere am Strand am Bergabhang liegende
Schützenlinien, die mir ebenfalls vollkommen unsichtbar blieben, ein
äusserst lebhaftes Gewehrfeuer aus etwa 200—250 Gewehren. Ich
eröffnete das Feuer mit beiden Revolverkanonen und liess zunächst
auf das Geschütz und die Schützenlinien feuern. Dann liess ich ein
Geschütz Zielwechsel machen und auf den belgischen Dampfer feuern,
da es mir wegen der weitaus überlegenen Macht unmöglich erschien,
den Dampfer unbeschädigt zu nehmen. Ich passierte in langsamer
Fahrt, der geringste Abstand betrug 1600 m. Das belgische Geschütz
wurde nach einiger Zeit zum Schweigen gebracht. Bald darauf begannen
zwei neue Geschütze, die weiter im Land gedeckt auf einem Berg
standen, ihr Feuer gegen uns. Nach einer halben Stunde ungefähr
machte ich kehrt und brachte die Steuerbordseite ins Gefecht, indem
ich in gleicher Weise parallel zur Küste fuhr. Ich liess jetzt das
eine Geschütz dauernd auf die feindliche Artillerie, das andere
Geschütz auf den Dampfer und auf die feindlichen Schützenlinien
feuern, die auch vorübergehend vollkommen zum Schweigen gebracht
wurden. Gegen 6 Uhr hatte der Dampfer so viele Treffer erhalten, dass
ich ihn als vollkommen zerstört ansah. Er schien vollgelaufen zu
sein und hatte ein deutlich wahrnehmbares Loch mittschiffs, ein
Schornstein war umgerissen und eine grössere Anzahl Treffer am Bug,
am Heck und an Deck beobachtet worden. Da ich hiermit meinen Auftrag
für erfüllt hielt, wollte ich meinen Dampfer nicht weiter den
feindlichen Granaten aussetzen, von denen ein Treffer das Schiff
vollkommen ausser Gefecht gesetzt hätte. Der Feind hatte sich
anscheinend gut eingeschossen, die Granaten schlugen dicht hinter dem
Schiff ins Wasser, eine Granate ging durch die Flagge. Allem Anschein
nach handelt es sich um ein Kaliber von 6 cm. Ich liess auf See zu
halten und nach achteraus feuern. Jetzt begann noch das am Strand
stehende Geschütz wieder zu feuern
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Bis auf eine
Entfernung von etwa 4500 m schlugen die feindlichen Geschosse noch
dicht beim Schiff ein. Es schien dies die grösste Reichweite zu
sein. Mein Dampfer ist von mehreren hundert Gewehrgeschossen
getroffen worden, die aber keinen Schaden angerichtet haben, da sie
an der Bordwand abprallten.
23. August: Ich nahm
Kurs auf Kigoma, wo ich morgens um 8 Uhr eintraf.
gez. Horn
Oberleutnant z. S.
und Detachementsführer
Die "Delcommune" |
Die "Hedwig von Wissmmann" |
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