Bericht über die Versenkung eines belgischen Dampfers auf dem Tanganyika-See, 22.8.1914

Kurz nach der Eröffnung der Kämpfe im Norden der Kolonie, begann der Krieg auch an der Westgrenze der Kolonie. Diese bildete zu einem großen Teil der Tanganyika-See. Hier stießen der belgische Kongo und das britische Rhodesien mit der deutschen Kolonie zusammen. Anfang August war das Oberkommando der Schutztruppe und der Gouverneur noch im Unklaren, ob Belgien zu den Kriegsparteien gehörte. Dass auch Belgien in den Krieg eingetreten war, erfuhren nach Schnees Angaben die Deutschen erst durch einen deutschen Kaufmann aus Ujiji am Tanganyika-See, der aus belgischer Gefangenschaft geflohen war. Am 3. August marschierten deutsche Truppen in Belgien ein, bereits zehn Tage später machte sich, Tausende Kilometer weiter südlich, ein deutscher Dampfer auf, um belgische Positionen im Kongo zu beschießen. Unter deutschem Kommando stehende Truppen drangen zumindest für einige Stunden auf belgisches Territorium vor. Der Bericht vermerkt nicht den Befehlsgeber dieser Unternehmung, sie dürfte jedoch kaum im Sinne des Gouverneurs gewesen sein. Dieser berief sich immer noch auf die Kongo-Akte und hoffte, der Kolonie den Krieg zu ersparen. Doch solche Scharmützel etablieren eine Routine des Krieges, die Schnee nicht ignorieren konnte.
Für die Anrainerkolonien war der Tanganyika-See von großer strategischer Bedeutung. Er war die wichtigste Verkehrsader in der Region. Vor allem für die Belgier war er ein wichtiger Verkehrsweg, der die 1910 fertigstellte Bahnlinie von Stanleyville nach Albertville mit dem rhodesischen Abercorn verband. Abercorn war ein wichtiger Verkehrsknotenpunkt, der die Region mittels einer Bahnlinie mit den Häfen Südafrikas verband. Die Kontrolle über den See war daher ein wichtiges Ziel für alle Kriegsparteien. Die Deutschen verfügten mit ihren drei Dampfern, die „Kingani“, die „Hedwig von Wissmann“ und die „Götzen“ über die größten Schiffe auf dem See.  Der Bericht beschreibt die Versenkung des belgischen Schiffes "Delcommune" durch den deutschen Dampfer "Hedwig von Wissmann"





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Bericht über Tätigkeit des Marinedetachements Kigoma sowie über Gefecht bei Lukuga am 22. 8.1914


14. 13. August. 4 Revolverkanonen auf dem Dampfer eingebaut und die Besatzung eingeschifft. Ausser mir schifften sich ein: Leutnant z. S. Odebrecht, 2 Unteroffiziere, 6 Mann für die 4 Geschütze, 1 Maschinistenmaat, 1 Artillerie-Mechaniker. Ferner waren an Bord: Der Schiffsfflhrer, der Maschinist und 14 Schwarze als Besatzung. Als ständiger Dampferschutz waren an Bord der Gefreite d. R. Zachmeyer und 5 Askaris. Da der Dampferführer die belgische Küste nicht kannte, nahm ich als Landeskundigen den Kriegsfreiwilligen Maerker an Bord. Um 4 Uhr ging ich in See nach Udjidji. Dort kam der Bezirksamtmann und der Eingeborenenrichter Dr. Dietrich an Bord mit 10 Askaris. Nach Aussage des Dr. Dietrich, der am Tage zuvor vom Kongo zurückgekommen war, sollte der Dampfer sich im Norden des Sees befinden. Ich ging zunächst nach Kalago (14. August), um Holz zu nehmen und dampfte dann nach Norden an der deutschen Küste bis Rumonge, um dort Erkundigungen einzuziehen. In der Nacht lief ich die belgische Küste zwischen Baraka und Uvira an, setzte dort mittelst Einbaums vollkommen ungesehen einige Leute unter Führung des Leutnant z. S Odebrecht

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mit einem landes- und ortskundigen Araber an Land und liess auf grössere Strecke die Telephonleitung nach Uvira zerstören, sodass die Ankunft des Dampfers an der belgischen Küste nicht nach Süden gemeldet werden konnte. 15. August. Ich setzte die Fahrt unter der belgischen Küste nach Norden fort. Am Morgen sah ich unter Land eine grosse Anzahl Einbäume, scheinbar mit Askari besetzt. Da ich erfahren hatte, dass die Belgier mittelst Einbäume grosse Truppenverschiebungen nach Norden machten, beschloss ich, die Boote zu zerstören. Auf einen ersten Schreckschuss flüchteten sämtliche Leute. Ich setzte beide Schiffsboote mit Askari aus und liess die Boote, sowie nochmals die Telephonleitung an dieser Stelle zerstören. Zur Einziehung näherer Erkundigungen über Uvira ging ich nach Usumbura. Mittags ankerte ich vor Usumbura. Der Assistent Wolf kam sofort an Bord und teilte mir mit, dass der Dampfer nicht im Norden sei. Er hat einwandfreie Nachrichten durch Ueberläufer und Araber. Ich beschloss nun, von Norden an die belgische Küste systematisch abzusuchen. 16. August. Bei Hellwerden passierten wir Baraka. Ein Europäer mit etwa 15 Askaris kam an den Strand gelaufen und legte sich in Schützenlinie. Ich setzte die Fahrt nach Süden fort. 17. August. Bei Hellwerden suchte ich die Inseln von Mtoa ab, passierte Mtoa. Auch hier besetzten einige Askari eine Schützenstellung beim Passieren des Dampfers. Gegen Mittag passierten wir Lukuga, wo 2 Kompagnien liegen sollten. Beim Passieren der Reede sah ich, wie die Kompagnieen geschlossen an den Strand rückten. Eine grössere Anzahl Europäer versammelte sich ebenfalls am Ufer. Um 3 Uhr Nachmittags sah ich südlich von Lukuga am Strand eine Dhau liegen, welche, wie wir feststellen konnten, der D. 0. A. G. gehörte und einige Tage vorher von den Belgiern beschlagnahmt worden war. Ich setzte sofort beide Boote mit Askaris aus, die unter Führung von Leutnant z. S. Odebrecht an Land fahren sollten. Am Ufer stellte sich ein Europäer mit 5 Askaris schussbereit auf. Ich lies mit der 3,7 einen Warnungsschuss ins Wasser feuern. Der Europäer und die 5 Askari flüchteten augenblicklich. Meine Boote kamen ungehindert an Land und brachten die Dhau längsseits. Die Dhau enthielt ausser einer Safariausrüstung, Proviant und eine Anzahl Schriftstücke, aus denen hervorging, dass ein „Chef de Poste“, Lemaire, die Aufgabe hatte, bei Tembwe mit 5 Askari die Küste zu beobachten, ob feindliche Truppen mittelst Fahrzeugen landen. Den Proviant requirierte ich, da wir bereits Mangel hatten, die Privatsachen liess ich nach Durchsicht in die Koffer packen und diese versiegeln. Die Koffer werde ich dem Bezirksamt Udjidji ausliefern. Ich nahm die Dhau in Schlepp und setzte die Fahrt an der Küste fort.

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18. August. Vormittags lief ich Kirando auf der deutschen Küste an, um Holz zu nehmen und hier die Dhau abzuliefern. Ich blieb den Tag über hier liegen, um abends in See zu gehen und in der Nacht auf den vermutlich in Vua liegenden Dampfer einen Handstreich zu unternehmen. Ich verschaffte mir dazu einen grossen Einbaum.
19. August. Nachts 1 Uhr kamen wir an die belgische Küste an den Eingang einer tiefen Bucht, die mir als die von Vua bezeichnet wurde. Unter den grössten Vorsichtsmassregeln lies ich den Einbaum mit einer Besatzung von 10 Mann unter Führung von Leutnant z. S. Odebrecht die Bucht absuchen. Der Dampfer wurde nicht gefunden, da wir einige Meilen zu weit nördlich standen. Nach Vua noch in dieser Nacht zu gehen, war schon zu spät geworden. So lief ich wieder zur deutschen Küste, um ungesehen zu bleiben und ankerte den Tag über gegenüber von Vua. Abends ging ich
wieder in See.
20. August. Um 1 Uhr nachts erreichte ich die belgische Küste und gegen 4 Uhr hatten wir die Bucht von Vua gefunden. Die Bucht wurde abgesucht wie am vorhergehenden Tage.
Der Dampfer lag nicht an seiner Pier. Obwohl dort ein Offizier und eine Kompagnie liegt, wurde auf belgischer Seite nichts bemerkt. Ich ging weiter nach dem Süden; um 7 Uhr standen wir
vor Moliro. Da nur 1 Europäer am Strand war, schickte ich den Kriegsfreiwilligen Maerker an Land, der die Auskunft mitbrachte, dass der Dampfer vor 2 Tagen von Vua nach dem Lukuga gegangen sei. Ich suchte weiter die belgische Küste ab, da ich auf die Nachricht ohne weiteres mich verlassen konnte. Abends ankerte ich vor Bismarckburg, nahm dort Holz, Proviant und ein 4 cm Geschütz an Bord, das der stellvertretende Bezirksamtmann dort nicht verwenden konnte. In der Nacht ging ich wieder in See, um an der belgischen Küste entlang nach Lukuga zu gehen.
21. August. Bei Heil werden passierte ich Moliro, gegen 9 Uhr Vua. Hier schickte mir der Kommandant des Feldlagers einen Brief durch einen Parlamentär, dass ich mich auf belgischem
Gebiet befände. Falls ich in meiner ihm feindlich erscheinenden Haltung verbliebe, würde er die Waffen gebrauchen. Durch den Askari, der mir den Brief überbrachte, erfuhr ich, dass der Dampfer vor 4 Tagen nach Lukuga gegangen sei und wieder zurückkomme. Ich fuhr ohne Antwort zu geben weiter. Unterwegs passierte ich einen Holzplatz des belgischen Dampfers. Ich ließ das Holz in Brand stecken. Die Nacht fuhr ich langsam weiter.
22. August. Am Morgen passierte ich den nächsten Holzplatz und lies auch hier das Holz anstecken. Nachmittags ½ 2 Uhr sichtete ich den belgischen Dampfer. Er hatte uns gleichfalls erkannt, kehrt gemacht und dampfte mit äusserster Kraft nach

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Norden weg. Ich nahm die Verfolgung auf. Gegen 4 Uhr erkannten wir, dass der Dampfer unterhalb des Soldatenlagers von Liikuga auf den Strand gelaufen war. Ich rechnete nur mit einem Widerstand von Gewehrschüßen, und wollte diese mit den Revolverkanonen niederkämpfen und dann den Dampfer abschleppen. An Bord hatte ich klar zum Gefecht gemacht. Die Backbordgeschütze besetzt, die Askari an der Reling verteilt und die freien Leute auf dem Sonnendeck hinter einer aus Hängematten hergestellten Brüstung Stellung nehmen lassen. Als ich auf etwa 2000 m herangekommen war, wurde an Land am Strande ein mir nicht sichtbares Geschütz abgefeuert. Die Granate ging dicht Ober den Dampfer hinweg und schlug 50 m hinter uns ins Wasser. Unmittelbar darauf begannen mehrere am Strand am Bergabhang liegende Schützenlinien, die mir ebenfalls vollkommen unsichtbar blieben, ein äusserst lebhaftes Gewehrfeuer aus etwa 200—250 Gewehren. Ich eröffnete das Feuer mit beiden Revolverkanonen und liess zunächst auf das Geschütz und die Schützenlinien feuern. Dann liess ich ein Geschütz Zielwechsel machen und auf den belgischen Dampfer feuern, da es mir wegen der weitaus überlegenen Macht unmöglich erschien, den Dampfer unbeschädigt zu nehmen. Ich passierte in langsamer Fahrt, der geringste Abstand betrug 1600 m. Das belgische Geschütz wurde nach einiger Zeit zum Schweigen gebracht. Bald darauf begannen zwei neue Geschütze, die weiter im Land gedeckt auf einem Berg standen, ihr Feuer gegen uns. Nach einer halben Stunde ungefähr machte ich kehrt und brachte die Steuerbordseite ins Gefecht, indem ich in gleicher Weise parallel zur Küste fuhr. Ich liess jetzt das eine Geschütz dauernd auf die feindliche Artillerie, das andere Geschütz auf den Dampfer und auf die feindlichen Schützenlinien feuern, die auch vorübergehend vollkommen zum Schweigen gebracht wurden. Gegen 6 Uhr hatte der Dampfer so viele Treffer erhalten, dass ich ihn als vollkommen zerstört ansah. Er schien vollgelaufen zu sein und hatte ein deutlich wahrnehmbares Loch mittschiffs, ein Schornstein war umgerissen und eine grössere Anzahl Treffer am Bug, am Heck und an Deck beobachtet worden. Da ich hiermit meinen Auftrag für erfüllt hielt, wollte ich meinen Dampfer nicht weiter den feindlichen Granaten aussetzen, von denen ein Treffer das Schiff vollkommen ausser Gefecht gesetzt hätte. Der Feind hatte sich anscheinend gut eingeschossen, die Granaten schlugen dicht hinter dem Schiff ins Wasser, eine Granate ging durch die Flagge. Allem Anschein nach handelt es sich um ein Kaliber von 6 cm. Ich liess auf See zu halten und nach achteraus feuern. Jetzt begann noch das am Strand stehende Geschütz wieder zu feuern

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Bis auf eine Entfernung von etwa 4500 m schlugen die feindlichen Geschosse noch dicht beim Schiff ein. Es schien dies die grösste Reichweite zu sein. Mein Dampfer ist von mehreren hundert Gewehrgeschossen getroffen worden, die aber keinen Schaden angerichtet haben, da sie an der Bordwand abprallten.
23. August: Ich nahm Kurs auf Kigoma, wo ich morgens um 8 Uhr eintraf.
gez. Horn

Oberleutnant z. S. und Detachementsführer

(Quelle: Deutsch-Ostafrika. Kaiserliches Gouvernement. n.d. [1914]. Zusammenstellung der Berichte über die in den August, September, Oktober 1914 stattgefundenen Gefechte der Kaiserlichen Schutztruppe für Deutsch-Ostafrika. Morogoro: Regierungsdruckerei.)

Die "Delcommune"

Die "Hedwig von Wissmmann"





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