Bericht über ein Gefecht bei Jassini, 30.8.1914

Der Bericht schildert die ersten Kämpfe um den Grenzort Jassini. Anfang 1915 sollte dieser Ort Schauplatz größerer Kämpfe werden. Ende August waren die Auseinandersetzungen zwischen Briten und Deutschen an der Nordgrenze der deutschen Kolonie in der Regel noch von kleinen Grenzscharmützeln geprägt, die kaum einer großangelegten Strategie folgten. Sie dienten mehr dem Austesten der gegnerischen Kräfte. An ihnen waren kaum mehr als 100 Soldaten beteiligt und sie dauerten nur wenige Stunden oder gar Minuten. Doch diese Scharmützel etablierten einen Alltag des Krieges, aus dem es kaum noch ein Zurück gab. Der Streit zwischen Schnee und Lettow-Vorbeck war mittlerweile bis nach Berlin vorgedrungen. Der Kolonialstaatsekretär Solfs aber leitete die Telegramme der beiden Streithähne nicht an den Kaiser weiter. Während Lettow-Vorbeck in Ostafrika Fakten schuf, änderte sich auch in Berlin die Haltung zum Krieg in den Kolonien. Die Kolonien hatten in den strategischen Plänen und Zielen des Kaiserreichs zu Beginn des Krieges keine Rolle gespielt. Nun aber holte der Kolonialstaatssekretär Solfs alte Pläne von einem deutschen Mittelafrika aus der Schublade und brachte sie in die Diskussion um die Kriegsziele des Kaiserreichs ein. Angesichts des Desinteresses des deutschen Militärs an den überseeischen Kolonien grenzte es an ein Wunder, dass diese Pläne Ende August es auf die Liste der offiziellen Vorstellungen von einer deutschen Nachkriegsordnung schafften. Lettow-Vorbeck konnte sich bestätigt fühlen. Sein Triumph über Schnee aber wich im Laufe des Krieges einer Ernüchterung. Von der Heimat kam kaum Unterstützung für seinen Kampf in Ostafrika.

An den Kämpfen um Jassini waren auf britischer Seite auch die Kings African Rifles (KAR) beteiligt. Für viele Historiker des Ersten Weltkriegs spielten die afrikanischen Soldaten auf britischer Seite erst in den letzten zwei Jahren eine bedeutende Rolle. Der Gefechtsbericht deutet aber daraufhin, dass die KAR zumindest in den ersten Wochen an Kämpfen teilnahmen. Am 5. August diskutierte das britische Oberkommando seine Strategie in Ostafrika und votierte für den Einsatz indischer Truppen. Sie sollten die Hauptlast einer Ende August geplanten Offensive tragen. Die ostafrikanischen Truppen hielten die Militärstrategen in London für kaum geeignet in einem europäischen Krieg zu fechten, auch wenn er auf afrikanischem Boden stattfand. Seit der Meuterei ostafrikanischer Truppen in Uganda im Jahre 1897 hegten die Briten zudem starke Zweifel an der Loyalität ihrer ostafrikanischen Soldaten. Es gab drei Bataillone der KAR, von denen jeweils eines in Uganda, Kenia und in Nyasaland stationiert waren. Insgesamt verfügten die Briten damit über 2319 Soldaten in Ostafrika. In Kenia war die Situation besonders prekär. Kaum 150 Soldaten waren für die Verteidigung der Grenze zur deutschen Kolonie verfügbar. Der Großteil des kenianischen Battalions war im Norden auf einer Strafexpedition gegen aufständische Afrikaner.

Die Entscheidung für indische Truppen war verbunden mit der Entscheidung für eine Offensive. Auch in London änderten sich Ende August die Kriegsziele in Ostafrika. Nun ging es nicht mehr nur um die Ausschaltung deutscher Marinebasen und Kommunikationsstrukturen, sondern um eine koloniale Neuaufteilung Ostafrikas. Der Kriegseintritt des osmanischen Reiches aber verhinderte zunächst einmal die Verlegung indischer Truppen nach Ostafrika. So hatten für einen kurzen Zeitraum im August die Truppen Lettow-Vorbecks eine numerische Überlegenheit über die Briten. Am 1. September war es damit aber vorbei als die ersten Kontingente aus Indien in Mombasa eintrafen.

Der Bericht verweits ganz am Ende auf eine Kompanie unter dem Kommando von Methner. Wir können dabei mit einiger Sicherheit davon ausgehen, dass es sich hierbei um die sogenannte „Araberkompanie“ handelte. Sie unterstand dem stellvertretenden Gouverneur Wilhelm Methner, einem der erfahrensten deutschen Kolonialbeamten in Ostafrika. In der Kompanie dienten vor allem die Söhne der Küsteneliten. Da diese ihre Ahnenlinien gerne auf arabische Vorfahren zurückführten, galten sie bei den Deutschen gemeinhin als „Araber“. Das war eine eher grobschlächtige Bezeichnung für eine Elite, die sowohl afrikanische als auch arabische und persische Wurzeln hatte. Doch diese Eliten waren für die Deutschen von enormer Bedeutung. Auf ihrer Kooperation basierte die deutsche Herrschaft an der Küste und auch vielerorts im Inneren, da sie vielfach die afrikanischen Angestellten der kolonialen Verwaltung stellten. Die Aufstellung der „Araberkompanie“ folgte daher eher politischen, denn militärischen Überlegungen. Sie sollte diese Eliten an die Deutschen binden.



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Bericht über das am 30. August stattgehabte Gefecht bei Jassini.

Führer: Oberleutnant Weise.
Gegner: 2 Maschinengewehre, 10—15 englische Europäer, 90 Askari.
Expeditionsbefehl: Sicherung der Grenze bei Moa.
Truppeneinteilung: Polizeiwachtmeister Galle, Sanitäts-Gehilfe Lange, 4 Europäer, 30 Polizeiaskari, 17 Knüppelaskari.
gez. Weise, Oberleutnant.

Bericht: Zum Schutze der deutschen Grenze bei Moa war vom Polizeiwachtmeister Galle Mitte August in Kiburule. etwa 4 km südwestlich Jassini, ein fortähnliches Erdwerk angelegt. Das Werk bot gegen Gewehrfeuer sicheren Schutz. Durch vorgetrie-

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bene Patrouillen war festgestellt, dass der Gegner in Wanga, etwa 4 km östlich Jassini, jenseits der englischen Grenze, einen befestigten Grenzposten aufgestellt hatte. Das massive Zollhaus in Wanga war zu diesem Zwecke stark befestigt. Abgesehen von einigen Schüssen, die zwischen beiderseitigen Patrouillen gewechselt wurden, wurde das Erdwerk Kiburule vom Gegner nicht beunruhigt. Ein englischer Askari wurde auf Patrouille abgeschossen. Zur Sicherung hatte das Werk eine Feldwache auf Jassini vorgeschoben. Ich traf am 29. 8. in Kiburule ein und übernahm das Kommando. Am 30. 8. 14 5.45 vorm, beschoss der Gegner aus einer Stellung 500 m östlich Jassini die Feldwache in Jassini mit einem Maschinengewehr. In der Maschinengewehrstellung befanden sich 90 Askari und ungefähr 9 Europäer. Die Feldwache zog sich auf des Erdwerk zurück. Der Gegner setzte das Maschinengewehrfeuer auf das Werk fort, ohne Schaden anzurichten. Ich erwiderte das Feuer bei der grossen Entfernung, etwa 2000 m, nicht. Mit den mir zur Verfügung stehenden schwachen Kräften, teilweise Rekruten, konnte ich nicht vorgehen. Nach der etwa 15 Minuten dauernden Beschiessung durch das Maschinengewehr schwieg das Feuer. Eine Absuchung des Geländes ergab einen ungeheuren Munitionsaufwand des Gegners. An demselben Tage vorgetriebene Patrouillen stellten fest, dass der Gegner fluchtartig unter Zurücklassung vieler Lebensmittel den befestigten Posten Wanga verlassen und sich nach Majoreni, 20 km nördlich Wanga, zurückgezogen hatte. Diese zwecklose Beschiessung von Seiten des Gegners erkläre ich damit, dass ich aus meiner festen Stellung herausgelockt werden sollte, um mich dann im ungünstigen Vorgelände zu vernichten. Die Flagge des befestigten Zollhauses liess ich herunterholen. Erbeutet wurden im Ganzen 3 Flaggen, sowie 200 Sack Reis, die später von der Anfang September eintreffenden Kompagnie Methner aus Wanga geholt wurden. Das Zollhaus selbst wurde gesprengt

gez. Oberleutnant

(Quelle: Deutsch-Ostafrika. Kaiserliches Gouvernement. n.d. [1914]. Zusammenstellung der Berichte über die in den August, September, Oktober 1914 stattgefundenen Gefechte der Kaiserlichen Schutztruppe für Deutsch-Ostafrika. Morogoro: Regierungsdruckerei.)



Übersicht über die deutschen und britischen Truppen zu Beginn des Krieges (Quelle: Sibley, J. R. 1971. Tanganyikan Guerilla: East African Campaign, 1914-1918. New York: Balantine Books.)





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