Bericht über eine Patrouille gegen die Ugandabahn, 10. 9.1914

Bereits im September 1914 begannen die Deutschen von ihren Positionen am Kilimanjaro mit Patrouillen gegen die wichtigste Versorgungslinie der Briten, die Ugandabahn. Die Sabotage der Bahnlinie war entscheidend für die Verhinderung von britischen Truppenaufmärschen an den Nordgrenzen der Kolonie. Die Deutschen konnten in den ersten Monaten durchaus einige Erfolge verbuchen und Teile der Bahnlinie sprengen. Die Briten verstärkten daraufhin die Bewachung der Bahnlinie. Bis Ende 1915 sollten 30.000 Soldaten für die Sicherung der Bahnlinie eingesetzt werden.
Der folgende Bericht schildert allerdings eine gescheiterte Patrouille, die Deutschen kamen noch nicht mal in die Nähe der Bahnlinie und mussten sich, nachdem der Kriegsfreiwillige Kallmeyer verwundet worden war, zurückziehen. Bis auf zwei Afrikaner, die als Führer dienten, war die Patrouille eine nahezu deutsche Angelegenheit. Bemerkenswert ist allerdings, dass ein Massai die Deutschen begleitete. Es gibt kaum Hinweise in deutschen Quellen, dass Massai aufseiten der Deutschen kämpften. Sie entschieden sich in der Regel für die britische Seite. Aus gutem Grund: Seit den ersten Tagen der deutschen Herrschaft galten die Massai als Feinde der Deutschen. Der erste Gouverneur Wissmann hat sie de facto als vogelfrei deklariert. Auch wenn die Verfolgung der Massai mit den Jahren an Schärfe abnahm, so normalisierte sich das Verhältnis zu den Deutschen nur wenig. Der Ausbruch des Krieges sah daher viele Massai in britischen Diensten oder zumindest gegen die Deutschen kämpfend. Die Briten hatten zuweilen ein etwas romantisches Verhältnis zu den Massai. Im Krieg tolerierten und unterstützten die Briten Raubzüge der Massai auf deutsches Territorium. Viele Massai dienten als Späher für britische Truppen.








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Bericht über das am 10. September 1914 stattgehabte Patrouillengefecht am West-Erok.

Führer: Oberleutnant z. S. a. D . Büchsel.
Gegner: Eine berittene Abteilung Buren und Engländer, Stärke unbekannt.
Befehl. Longido, den 6 .9 . 1914.
Herrn Oberleutnant Büchsel


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Stärke der Sprengpatrouille (ist selbständig) 4 Europäer:
Oberleutnant Büchsel, Führer
Unteroffizier der Res. Lange
Unteroffizier der Res. Zierold
Freiwilliger Kallmeyer,
4 Pferde, 3 Maultiere.

Auszug aus dem Befehl des Hauptmann Willmann:

Aruscha, den 2. 9. 1914.
2. Der Befehl die englische Bahn zu zerstören bleibt bestehen. Der Versuch sie zu zerstören ist unbedingt neu anzustellen.
gez. Lincke
Oberleutnant

Gemäss vorstehendem Befehl marschierte ich, nachdem Reiter und Tiere, die erst am 5. 9. von einer längeren, anstrengenden Patrouille im englischen Gebiet zurückgekehrt waren, sich erholt hatten, am 10. Sptember 9.45 vorm, vom Longido-Posten in der befohlenen Stärke ab. Mitgenommen wurden ausserdem noch 2 Massaihilfskrieger und 1 kriegsgefangener Kikuyumann, der als Aufseher beim Bau der Torokabrücken an der Magadbahn früher gearbeitet hatte, deren Lage, sowie die Aufstellung der englischen Wachen bei den Brücken genau kannte und sich zur Führung bereit erklärt hatte. Ausser 4 Pferden wurden noch 3 Maultiere als Packtiere und Reservetiere mitgeführt, um eventuell auch die Massais und den Kikuyu beritten machen zu können. Die Europäer waren mit
S Karabiner bewaffnet, hatten 150 Patronen pro Kopf und 100 Patronen Dynamit nebst Zubehör mit sich.
Um 4.00 nachm, näherte sich die Abteilung dem Wasserlauf, der von der Westseite des Oldonjo Erok herunter kommt und der bei den vorhergegangenen Patrouillen stets frei vom Feinde
gefunden war. Im dichten Uferbusch wurde abgesattelt und abgekocht, da ich einen Nachtmarsch bis zum Wasser Oljoro Lolosogwan mit Eintritt der Dunkelheit beabsichtigte. Bei Annäherung an das Wasser hatte ich auffallend viele Aasgeier beobachtet, die bachabwärts geflogen kamen. Ich sandte deshalb unmittelbar nach dem Eintreffen die beiden Massaihilfskrieger bachaufwärts,
um dort sich umzusehen.
Diese beiden Leute kamen nach kurzer Zeit zurückgelaufen und meldeten bachaufwärts befinde sich ein englisches Lager und

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die Aasgeier kamen von 3 gefallenen Pferden, die in der Nähe dieses Lagers am Bach lagen. Um Genaueres festzustellen und nach Möglichkeit überraschend anzugreifen, marschierte ich mit dem Unteroffizier Zierold, dem Freiwilligen Kallmeyer, dem Kikuyumann und einem Massai vorsichtig im Uferbusch bleibend am rechten Bachufer aufwärts. Den Unteroffizier Langer liess ich mit einem Massai als Bedeckung bei den Pferden. Kaum 250 m von unserem Lagerplatz entfernt bemerkte ich auf der anderen Bach Seite im Uferbusch etwa 30 m rechts vorwärts eine Reihe Engländer, die hintereinander gehend nach unten auf mein Lager zu marschierten. Sie trugen dunkle Jagdhemden, breitkrämpige Filzhüte, Patronengürtel, aber keine militärischen Abzeichen. Dem Aussehen nach waren es Buren. Während wir niederknieten bemerkten uns die vordersten und riefen uns an. In demselben Augenblick feuerten wir. 2 Engländer stürzten sofort. Alles andere lag im nächsten Augenblick in Deckung im dichten Busch so gut wie unsichtbar. Gefeuert wurde, sobald nt3n irgendwo etwas zu erkennen glaubte. Kallmeyer war bei Eröffnung des Feuers etwas zurück gewesen und kam auf die ersten Schüsse vorgelaufen und besetzte einen Termitenhügel, der ihm aber nur ungenügend« Deckung bot, denn das feindliche Feuer richtete sich sofort auf ihn und Kallmeyer brach bald darauf auf der Vorderseite dieses Termitenhügels bewusstlos zusammen. Bald darauf sind die Engländer anscheinend im Busch zurück gekrochen. Inzwischen zogen Unteroffizier Zierold und ich den auf dem Termitenhügel vollkommen deckungslos liegenden Kallmeyer herunter bis hinter die nächsten Büsche. Kallmeyer war durch die Schulter geschossen, war wieder bei Bewusstsein, aber in Folge des sehr erheblichen Blutverlustes bewegungsunfähig Zierold und ich trugen ihn darauf mitsamt seinem Gewehr pp. zu den Pferden zurück, wo ihm ein Notverband angelegt wurde. Der Massai war während des Gefechts verschwunden und fand sich erst bei den Pferden wieder ein. Der Kikuyu-Mann lag neben mir in der Feuerstellung und Uberbrachte dem Unteroffizier Langer im feindlichen Feuer den Befehl, inzwischen alle Pferde und Maultiere zu satteln. Beim Satteln der Pferde wurde die Abteilung nochmals auf etwa 400 m Entfernung aus der Richtung vom Berge beschossen. Ich liess darauf alle Tiere zur besseren Deckung in das tief eingeschnittene Bachbett führen und besetzte auf beiden Seilen den Rand des Uferbusches, ohne jedoch bis Eintritt der Dunkelheit nochmals angegriffen zu werden. Mit Einbruch der Dunkelheit liess ich Kallmeyer auf ein ruhiges Maultier heben und ihn auf jeder Seite durch einen Mann stützen. Dann wurde der Rückmarsch nach Longido angetreten, um den Verwundeten zur ärztlichen Behandlung nach Aruschi

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zu senden. Gegen 8.00 abends liess ich windwärts des englischen Lagers die vollständig trockene Grassteppe in Brand setzen, die ebenso, wie der Lagerplatz vollständig abbrannte.

Büchsel. Oberleutnant z. S. a. D.

(Quelle: Deutsch-Ostafrika. Kaiserliches Gouvernement. n.d. [1914]. Zusammenstellung der Berichte über die in den August, September, Oktober 1914 stattgefundenen Gefechte der Kaiserlichen Schutztruppe für Deutsch-Ostafrika. Morogoro: Regierungsdruckerei.)

Eine berittene Patrouille der Deutschen, wie sie gegen die Ugandabahn eingesetzt wurde


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