Der Bericht
beschreibt die Besetzung der Insel Idjiwi durch deutsche Truppen Ende
September 1914. Es war das einzige Territorium des belgischen Kongo,
dass die Deutschen während des Krieges besetzen konnten. Die Insel
war für die Kontrolle des Kivu-Sees von strategischer Bedeutung.
Der Resident und
Befehlshaber der Truppen in Rwanda Max Wintgens rechnete bei seinem
Angriff mit der Unterstützung der Inselbewohner. Nach seiner
Einschätzung war die belgische Herrschaft unter der Bevölkerung
verhasst und sie würden in den Deutschen ihre Befreier sehen. Diese
Hoffnungen erfüllten sich nicht. Anstelle von Willkommensgrüßen
empfingen die Afrikaner die Deutschen mit Speeren. Wintgens war mit
seinem Irrtum über die Haltung der Afrikaner in diesem Krieg nicht
alleine. Auch die Briten gingen davon aus, dass die Bevölkerung der
deutschen Kolonie die Chance nutzen würden, sich der Deutschen zu
entledigen, sei es durch Aufstände oder durch die Unterstützung
ihrer Truppen.
Die Haltung der Afrikaner in diesem Krieg der Europäer war in der Tat die große Unbekannte für alle beteiligten Kolonialmächte. Weder Briten noch Franzosen, Belgier oder Deutsche konnten bei Kriegsbeginn diese wirklich zweifelsfrei Frage beantworten - schlichtweg weil sie wenig über ihre Untertanen wussten. Die koloniale Eroberung war 1914 vielerorts erst ihrem Ende entgegengegangen, die daraus resultierende Ordnung ähnelte oft mehr einem Waffenstillstand als einer politischen Ordnung. Die Europäer hatten zwar auf dem Schlachtfeld den Sieg errungen, diesem Sieg aber war noch nicht der Alltag der Herrschaft gefolgt. Außerdem gab es zu wenige Europäer, um diesen Alltag im Leben der Afrikaner zu etablieren. Kaum einer der Verwaltungsbeamten sprach die Sprache seiner Untergebenen und nur wenige Afrikaner bekamen jemals einen Europäer zu Gesicht. Bis 1914 war die Haltung der Afrikaner für die Europäer kaum von Belang, die Antwort wurde notfalls durch eine Strafexpedition erzwungen. 1914 aber begannen die Europäer über diese Frage zumindest nachzudenken.
Die Haltung der Afrikaner in diesem Krieg der Europäer war in der Tat die große Unbekannte für alle beteiligten Kolonialmächte. Weder Briten noch Franzosen, Belgier oder Deutsche konnten bei Kriegsbeginn diese wirklich zweifelsfrei Frage beantworten - schlichtweg weil sie wenig über ihre Untertanen wussten. Die koloniale Eroberung war 1914 vielerorts erst ihrem Ende entgegengegangen, die daraus resultierende Ordnung ähnelte oft mehr einem Waffenstillstand als einer politischen Ordnung. Die Europäer hatten zwar auf dem Schlachtfeld den Sieg errungen, diesem Sieg aber war noch nicht der Alltag der Herrschaft gefolgt. Außerdem gab es zu wenige Europäer, um diesen Alltag im Leben der Afrikaner zu etablieren. Kaum einer der Verwaltungsbeamten sprach die Sprache seiner Untergebenen und nur wenige Afrikaner bekamen jemals einen Europäer zu Gesicht. Bis 1914 war die Haltung der Afrikaner für die Europäer kaum von Belang, die Antwort wurde notfalls durch eine Strafexpedition erzwungen. 1914 aber begannen die Europäer über diese Frage zumindest nachzudenken.
Warum sich die
afrikanische Bevölkerung auf diese oder die andere Seite schlug, ist aus heutiger Sicht sehr schwer zu rekonstruieren. Die Entscheidung der Inselbewohner
hatte aber sehr wahrscheinlich wenig mit den Deutschen oder den
Belgiern zu tun. Die Insel war im 19. Jahrhundert ein Refugium all
jener gewesen, die der Herrschaft des rwandischen Königs wenig Sympathien
entgegenbrachten. Hier hatten Gegner des Königshofs Asyl gefunden.
Die Versuche der rwandischen Könige, die Insel unter ihren
Machtbereich zu zwingen, waren wenig erfolgreich gewesen. Mit der
kolonialen Aufteilung der Region hatten der Königshof seine
Ansprüche auf die Insel vorerst aufgeben müssen. Der Ausbruch des
Krieges aber bot nunmehr die Chance, die widerspenstige Insel wieder
unter die Kontrolle des Königs zu bringen. Der König von Rwanda,
Musinga, hatte seinen Thron nicht zuletzt den Deutschen zu verdanken,
die ihm im Kampf gegen seine Konkurrenten beistanden. Nicht
unwahrscheinlich, dass die Bewohner von Idjiwi die Deutschen als
Alliierte des Königs und damit als ihre Feinde ansahen.
Überraschend war für Wintgens das Verhalten der belgischen Truppen. Sie leisteten kaum Widerstand und es waren nicht die afrikanischen Soldaten, die bulamatari, sondern ihre belgischen Offiziere, die die weiße Fahne schwenkten. Im Gegenteil, die bulamatari wollten kämpfen und es gelang ihren Offizieren nur nach langen Verhandlungen, sie zur Aufgabe zu bewegen. In der Literatur wird oft das Bild gezeichnet, dass die Bereitschaft der afrikanischen Soldaten zu kämpfen nur von der Überzeugungskraft ihrer Offiziere abhing. Die Ereignisse auf Idjiwi belehren uns eines Besseren.
Wintgens
interpretierte seinen Sieg auch als einen politischen Erfolg. Er
hoffte damit die Rwander zu überzeugen, sich auf die Seite der
Deutschen zu stellen. Auch im Krieg und gerade im Krieg war die
Unterstützung der Bevölkerung überlebenswichtig für die
Kolonialherren. Wintgens sollte zumindest in den ersten zwei Jahren
des Krieges mit dieser Strategie durchaus Erfolg haben.
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Bericht über das am 24. September 1914 staugehabte Gefecht gegen den belgischen Posten Nyakalengo auf der Insel Idschwi im Kivu-See.
Führer: Hauptmann Wintgens.Gegner: 2 Europäer, 50 belgische Askaris.
Angriffsbefehl: Halbinsel Kwischarra (Kivusee), den 23. 9. 1914
Befehl.
1. Der belgische Posten Nyakalengo am Südende der Insel Idschwi ist mit 3 Europäern und über 60 Askari besetzt. 2. Ich werde den Posten am Morgen des 24. September angreilen. 3. Die Expeditionsabteilung unter meiner Führung verlässt in Eingeborenenbooten am 23.9.14 10.30 nachm, die Bucht nördlich Kwischarra und fährt nach der 3. Bucht östlich des belgischen
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Posten. Von hier
geschlossener Marsch bis auf den Höhenzug hinter dem Posten, wo 3
Abteilungen gebildet werden.
I. Hauptabteilung
unter meiner Führung: 5 Europäer, 1 Maschinengewehr, 31 Askaris
einschl.
Maschinengewehr-Mannschaft.
2 Dolmetscher mit Gewehr: Die Abteilung besetzt den kahlen Berg
westl. des Postens und geht von hier offensiv vor.
II. Abteilung
Pursche: 1 Europäer, 18 Askaris, 8 Hilfskrieger. Die Abteilung
besetzt den Rücken westlich des Postens und verhindert einen
Durchbruch des Gegners in dieser Richtung. Etwa auf dem Berge
aufgeworfene Schanzen sind im Morgengrauen bei Eröffnung des
Gefechts zu nehmen.
III. Patrouille
Cramer: 1 Askari, 8 Hilfskrieger, etwa 30 Hilfskrieger des
Ruakataraka besetzt den Höhenzug nördlich des Postens und hält
einen Durchbruch des Gegners in dieser Richtung auf.
IV. Befehl für das
Stahlboot: Führer Giese mit 8 Hilfskriegern. Das Stahlboot mit der
Deutschen Reichskriegsflagge hat im Morgengrauen auf etwa 1 500 m am
Posten vorbei zufahren und ihn zum Zeigen seiner Kräfte zu
veranlassen. Späteres Eingreifen in das Gefecht nach Ermessen des
Bootsführers.
Hauptaufgabe ist, Durchbruch des Gegners auf Booten zu verhindern.
Notiz: Den
Abteilunngsführern sind ihre Plätze in mündlicher Unterweisung mit
Fernglas im Gelände gezeigt.
4. Der Angriff
findet im Morgengrauen statt, das Zeichen wird durch Eröffnung des
Maschinengewehrfeuers gegeben. Bis dahin haben sich die Abteilungen
versteckt zu halten. Durchbrechende Abteilungen des Gegners sind aufs
Aeusserste zu verfolgen.
Sammelplatz nach
Gefecht ist der belgische Posten.
5. Die Bewohner
Idschwis stehen auf unserer Seite und sind nach Möglichkeit zu
schonen.
6.
Munitionsausrüstung: pro Europäer 100 Patronen
pro Askari 100
pro Hilfskrieger
60 Patronen.
Reservemunition: 5
Kisten Patronen 71
4 Kisten
Patronen S
sonstiges:
Leuchtpistole mit Munition (Matrose Herms)
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52 –
3 Magncsiumfackeln.
Europäer und Askari gehen ohne Gepäck; Verpflegung für 1 Tag ist im Brotbeutel mitzunehmen Wienters hat Verbandlast mitzunehmen.
gez. Wintgens Hauptmann und militärischer Befehlshaber in Ruanda
Europäer und Askari gehen ohne Gepäck; Verpflegung für 1 Tag ist im Brotbeutel mitzunehmen Wienters hat Verbandlast mitzunehmen.
gez. Wintgens Hauptmann und militärischer Befehlshaber in Ruanda
Bericht.
Die Abteilung fuhr
10.00 nachm, in 20 Einbäumen von der nördlich der Halbinsel
Kwischarra gelegenen Bucht bei klarem Himmel ohne Mond ab. Durch
falsche Angaben des Führers in
meinem Boote wurde
die zur Landung ausersehene Bucht verfehlt und wir näherten uns 1.45
vorm. einer weiter nördlich gelegenen Bucht. Als mein am weitesten
vorn fahrendes Boot sich dem
Ufer näherte,
stiessen Eingeborene am Ufer Warnungsschreie aus, die in wenigen
Sekunden von mindestens 100 Männern aufgenonmen wurden. Ein
Alarmhorn wurde geblasen und das Kriegsgeschrei weiter nach den
Bergen hin aufgenommen. Alle Zurufe, dass wir als Freunde der
Idschiwi-Leute kämen, waren vergeblich, ein Speer schlug neben
meinem Boot ins Wasser, und aus den Geschrei waren deutlich Rufe zu
hören “bringt Nachricht zur Boma“. Dieses Veihalten der
Idschwi-Leute, bei denen ich nach den bisherigen Berichten nur Hass
gegen die Belgier annehmen
konnte, kam mir
gänzlich überraschend und durchkreuzte meinen bisherigen Plan. Da
eine Landung nur durch ein Feuergefecht unter Alarmierung der ganzen
Insel zu erzwingen gewesen wäre,
so erschloss ich
mich, meinen ersten Angriffspian fallen zu lassen im Schutz der Nacht
am belgischen Posten vorbeizufahren und überraschend den nach Osten
alarmierten Gegner von Westen zu fassen. Durch Unaufmerksamkeit der
Bootsleute riss die Bootskolonne auf der Fahrt zweimal auseinander,
wobei jedesmal ½ Stunde verloren ging, bis ich mit elektrischer
Taschenlampe
die Boote wieder
zusammensignalisiert hatte. Hierdurch kam es dass die letzten
zurückgebliebenen Boote noch bei Tagesanbruch in Sicht des Postens
waren, während ich schon durch einen
Bergrücken gedeckt,
landete. Es lag die Gefahr vor, dass der alarmierte Gegner die
beherrschende Bergstellung vor uns erreicht, die nur mit Verlusten zu
nehmen gewesen wäre. Vizefeldwebel Purscbe mit 2 Europäern und 10
Askaris trat auf meinen Befehl sofort beschleunigt den Aufstieg an;
ich selbst mit den nächsten eintreffenden 8 Askaris ging rechts von
ihm vor und erreichte gleichzeitig die Höhe. Alle zurückgebliebenen
Askaris und Hilfskrieger wurden rasch gesammelt und folgten etwa 300
m hinter
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uns mit
dem Maschinengewehr. Als ich die Höhe erreichte, begann rechts unter
mir Infanteriefeuer; ich sah vom Höhenrand aus eine Gruppe
belgischer Askaris im Feuer gegen unsere letzten zurückgebliebene n
Boote. Polizeiwachtmeister Putsche ging mit Rechtsschwenkung in
Stellung, vorläufig gedeckt ohne zu feuern, er wurde durch
eintreffende Askaris auf 24 Gewehre
verstärkt.
Als er sah, dass sich der Gegner auf etwa 40 Askaris verstärkte,
eröffnete er selbständig das Feuer mit Visier 450 auf dem völlig
überraschten Gegner. Ich selbst ging mit den nächsten eintreffenden
19 Askaris und 3 Europäern an den nordöstlichen Rand der Höhe vor
und befahl, dass die Hilfskrieger in Deckung am westlichen Abfall der
Höhe gesammelt werden sollten, um dort vorläufig als Reserve zu
verbleiben. Das Maschinengewehr sollte auf die Höhe folgen, wo ich
Stellung anweisen wurde. Am nordöstlichen Rande der Höhe
angekommen, brachte ich die Abteilung in Stellung; 2 Mann als linke
Seitendeckung beobachteten nach links und rückwärts. Von hier aus
wurde zunächst ein über die Bucht vom Posten ausfahrendes Boot mit
Visier 600 beschossen, die Insassen sprangen ins Wasser und retteten
sich ans Land. Aus der Bom Nyakalengo selbst schlug aus einem
Schützengraben Infanteriefeucr heraus, das nunmehr erwidert wurde.
Ich selbst ging jetzt zurück und brachte das eben eintreffende
Maschinengewehr zwischen den beiden
Askariabteilungen
in Stellung; es beschoss zunächst den Schützengraben bei der Boma.
Abteilung Pursche führte ein etwa 1 stündiges Feuergefecht aus
günstiger, stark überhöhender Stellung, und
bald
waren bei dem im hohen Grase und zwischen Büschen versteckten Gegner
Verluste zu erkennen. Der Feind schoss sehr lebhaft, die meisten
Schüsse sassen zu kurz. In dieser Gefechtslage setzte ich nunmehr 1
Europäer, 1 Askari und 8 Hilfskrieger rechts von Abteilung Pursche
ein mit dem Befehl, den Flügel des Gegners umfassend, zugleich mit
Abteilung Pursche vorzugehen. Der Feind wartete diesen umfassenden
Angriff nicht ab, sondern ging unter Zurücklassung einer Anzahl
Toter und Verwundeter in eine Stellung auf dem letzten Bergrücken am
See zurück. Er ordnete sich hier rasch in Deckung und eröffnete
wieder vom Höhenrand aus besserer Stellung das Feuer. Nunmehr trat
das Maschinengewehr gegen diesen Gegner in Tätigkeit, wobei 1
feindliches Geschoss das Zuggehäuse traf, und die umfassende
Abteilung eröffnete gleichzeitig das Feuer.
Der
Gegner verschwand und gleich darauf erschien hinter der Höhe eine
weisse Flagge, woraufhin ich die Einstellung des Feuers befahl. Von
unserem linken Flügel ist noch nachzuholen,
dass
die hier liegenden Schützen im Feuer gegen den Schützengraben am
belgischen Posten geblieben waren, und dass ich 3 Askaris und 25
Hilfskrieger ohne Gewehr abgeschickt hatte, mit
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dem
Befehl, den nördlich des Postens gelegenen Höhenrücken, wo eine
Verschanzung zu erkennen war, zu besetzen und dem Gegner den Weg nach
Nordosten zu verlegen. Das Gefecht
begann
um 6™ vorm., die weisse Flagge wurde um 6.00 vorm. gezeigt.
Nach
Einstellung des Feuers bewegte sich ein Trupp belgischer Askaris von
etwa 30 Mann mit einem Europäer unter Schwenken einer weissen Flagge
von der letzten Stellung auf den Posten zu
Meine
Zurufe stehen zu bleiben, wurden nicht beabchtet. Von einer
Wiedereröffnung des Feuers sah ich ab, da ich es für unmöglich
hielt, dass ein Europäer unter Missbrauch der weissen Flagge einen
Stellungswechsel vornehmen könne. Ich begab mich selbst mit 6
Askaris zum Posten, Leutnant Mamet kam mir entgegen mit dem Agent
territorial Flammand. Er verlangte für sich und seine Abteilung
freien Abzug und wollte nur Ablieferung der Waffen zubilligen. Ich
bestand auf bedingungslose Uebergabe. Er verhandelte nun mit seinen
Askaris, die von einer Uebergabe
überhaupt
nichts wissen wollten, sich durchaus rebellisch gegen ihn benahmen,
den Schützengraben besetzten, und neue Munition heranschleppten.
Leutnant Mamet eröffnete mir, dass er unter diesen Umständen weiter
kämpfen müsse. Es bedurfte eines sehr energischen Hinweises, um ihm
klar zu machen, dass er sich in diesem Falle in seine alte Stellung
zurückzubegeben habe, die er unter Missbrauch der weissen Flagge
verlassen habe. Daraufhin wieder lange Verhandlungen mit seinen
Askaris, die ich in gedeckter Stellung etwa 100 m weit entfernt
abwartete. Die drohende Haltung der belgischen Askaris liess eine
sofortige Feuereröffnung möglich erscheinen. Um 930 vorm, wurden
die Verhandlungen wieder aufgenommen; ich gestand schliesslich zu,
dass die Besatzung als Anerkennung für ihre gute Haltung bis
Eintreffen in der Bugondebucht ihre Gewehre ohne Munition in der Hand
behalten dürfte. Hierauf ergab sich die Besatzung.
Die
Feststellung der Verluste ergab folgendes: 6 belgische Askaris
gefallen, 7 verwundet.
Unsererseits
Askari Hamis E. M. (eingezogen,,) verwundet (Schuss in Oberschenkel
mit Verletzung der Prostata). Er war in einem der letzten
zurückgebliebenen Boote, auf das die Belgier zuerst das Feuer
eröffneten; hierbei wurde er verwundet.
Patronenverbrauch:
Askaris
und Hilfskrieger: 875 Patronen 71
Maschinengewehr:
286 S Patronen
Eeuropäer:
210 S Patronen.
Patronenverbrauch
der Gegners etwa 1500 Patronen.
Die
Haltung meiner Abteilung: Europäer, Askari und Hilfskrieger, im
Gefecht war recht gut; besonders hervorzuheben ist die grosse Ruhe
beim Schiessen und das überall erkennbare Bestreben, ohne Rücksicht
auf Deckung die bestmöglichste Stellung für Abgabe der Schüsse zu
finden. Es waren nur Ermahnungen nötig, sich nicht unnötig
auszusetzen. Aber auch der Feind hat sich gut geschlagen, trotz der
schlechten Stellung hat er sich 1 ½ Stunde gehalten und in der
Schützenlinie einen Gefechtsverlust von 30 % ausgehalten, ohne
erschüttert zu sein. Der Entschluss zur Uebergabe ist nur von dem
Europäer ausgegangen, und erst nach langen Verhandlungen
haben
sich die Askaris, die weiter kämpfen wollten, ergeben. Die hieraus
zu ziehende Lehre dürfte die sein, dass die allgemein übertriebene
Unterschätzung der belgischen Askaris etwas zu
revidieren
ist. Die Schussleistungen der Belgier waren mässig, wobei aber
einmal ihre sehr schlechte Feuerstellung und zum anderen die
schlechte Munition zu berücksichtigen ist. Wie späteres Anschiessen
der Gewehre ergab, muss schon auf 200 m mit Visier 500 geschossen
werden. Die Belgier unterscheiden bei ihrer Infanieriemunition poudre
noir und poudre blanc, von letzterer guten Munition scheinen
vorläufig nur geringe Bestände vorhanden zu sein. Die Bewaffnung
ist Mausergewehr Mod. 88, das unserem Modell 88 ähnlich ist.
Erbeutet
wurden 50 Mausergewehre mit etwa 9000 Patronen (aber von der
schlechten Munition) und das 2te belgische Stahlboot (das andere war
schon am 18.9. von uns genommen), das in der Bucht versteckt und mit
Zweigen bedeckt war. Als Haupterfolg des Tages muss aber das
Vertrauen bezeichnet werden, das unsere Askaris und Hilfskriege durch
den leichten Erfolg zu unseren Waffen bekommen haben. Auch in Ruanda
ist der Eindruck ein sehr grosser und er wird dazu beitragen, dass
die Ruhe im Lande erhalten bleibt.
Die
Bevölkerung von Idschwi strömte nach dem Gefecht unter
Freudenbezeugungen von allen Seiten herbei. Sultan Mihigo schickte
eine Gesandtschaft, die seine Ergebenheit versichern sollte.
Die
feindliche Haltung der Idschwileute in der Nacht wurde damit erklärt,
dass sie uns für Belgier gehalten hätten, die zu einer
Strafexpedition ausrückten; ich stehe dieser Angabe aber
misstrauisch
gegenüber
und glaube, dass die Stimmung der Bevölkerung von Idschwi geteilt
ist.
gez.
Wintgens,
Hauptmann
und m ilitärischer Befehlshaber in Ruanda
(Quelle: Deutsch-Ostafrika. Kaiserliches Gouvernement. n.d. [1914]. Zusammenstellung der Berichte über die in den August, September, Oktober 1914 stattgefundenen Gefechte der Kaiserlichen Schutztruppe für Deutsch-Ostafrika. Morogoro: Regierungsdruckerei.)
Max Wingtens mit dem rwandischen König Musinga kurz vor Ausbruch des Krieges |
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