Das ist der Bericht
der Abteilung unter dem Befehl von Boemcken über das Gefecht bei
Gazi
vom 7. Oktober. Boemcken hatte die Aufgabe erhalten, einen
Ablenkungsangriff auf die Stellungen der Briten zu unternehmen.
Boemckens Angriff scheiterte am heftigen Widerstand der Briten und
der mangelnden Kommunikation mit den Abteilungen unter dem Befehl von
Baumstark.
Offensichtlich war
Boemcken nicht gewillt, seine Männer über ein freies Feld die gut
befestigten Stellungen der Briten angreifen zu lassen. Im letzten
Teil des Berichts deutet er an, dass seine Soldaten sich diesem
Befehl verweigerten, da dies mit ihrem M71-Gewehren keine Aussicht
auf Erfolg gehabt hätte. Es immerhin fraglich, ob es wirklich einen
ernsthaften Angriffsversuch gegeben hat. Baumstark schreibt in seinem
Bericht,
dass er vonseiten Boemckens kaum Schüsse gehört habe. Anders als
die Hauptabteilungen unter Baumstarks Kommando, die erhebliche
Verluste zu verzeichnen hatten, gab es bei Boemcken keine Gefallenen
oder Verwundeten. Der Bericht liefert also Indizien über eine mehr
oder weniger offene Befehlsverweigerung der Askari, den Angriff
auszuführen. Trotzdem schreibt Boemcken, dass das Verhalten seiner
Soldaten gut war. Auch er hatte offensichtlich kein Interesse daran,
das Vorkommnis, wenn es denn so stattgefunden hat, aufzubauschen.
Aus den
vorangegangenen Berichten wird recht deutlich, dass die deutschen
Offiziere wenig gewillt waren, ihre Männer in sinnlosen
Frontalangriffen zu verheizen. Das hebt den Krieg in Ostafrika
deutlich von den Ereignissen an der Westfront ab, wo Angriffe auf
befestigte Stellungen mit hohen Verlusten der Alltag waren. Das
entsprach sicher den taktischen Vorgaben Lettow-Vorbecks, der nicht
auf die Eroberung von Territorium, sondern auf den Gewinn von Zeit
aus war. Für verlustreiche Kämpfe verfügte er auch nicht über genügend Ressourcen. Der Bericht zeigt aber auch, dass die Offiziere in einer
sehr komplexen Machtbalance zwischen ihnen und den Askari agierten.
– 85 –
Rechte
Flügelabteilung: v. Boemcken.
Bericht über das am 7. Oktober 1914 stattgehabte Gefecht bei Gazi in Britisch-Ostafrika.
Führer
rechter Flügel: Hauptmann v. Boemcken.
Gegner: Etwa 100 Freiwillige und Marinemannschaften, ausserdem indische Truppen und einige Askari, 1 Maschinengewehr.
Expeditionsbefehl: Abteilung v. Boemcken geht am 7. 10. 14 bei Tagesanbruch gegen die Stellung der Engländer am Mkurumuji-Fluss vor, während Abteilung Baumstark die feindliche Stellung von Westen her in Flanke und Rücken umfassend angreift. Es ist ein hinhaltendes Feuergefecht zu führen und anfangs der Mkurumuji-Fluss nicht zu überschreiten.
Gegner: Etwa 100 Freiwillige und Marinemannschaften, ausserdem indische Truppen und einige Askari, 1 Maschinengewehr.
Expeditionsbefehl: Abteilung v. Boemcken geht am 7. 10. 14 bei Tagesanbruch gegen die Stellung der Engländer am Mkurumuji-Fluss vor, während Abteilung Baumstark die feindliche Stellung von Westen her in Flanke und Rücken umfassend angreift. Es ist ein hinhaltendes Feuergefecht zu führen und anfangs der Mkurumuji-Fluss nicht zu überschreiten.
Truppeneinteilung:
15. Kompagnie: 144
Gewehre M. 71
11 Europäer M. 98 2
Maschinengewehre
25 Araber
– 86 –
Bericht
Die Abteilung
marschierte am 5. 10. 14 nachm. von Semanja ab, lagerte In der Nacht
vom 5. zum 6. in Majoren! und vom 6. zum 7. etwa 5 km südlich des
Mkurumuji-Flusscs. Hier meldete sich Leutnant d. R. Baldamus als
Führer bei mir, der die feindliche Stellung Tags zuvor erkundet
hatte. Nach seinen Angaben und nach Aussagen von Eingeborenen, war
das Gelände am Mkurumuji-Fluss westlich der Strasse Majoreni-Gazi
unpassierbarer Sumpf, der Fluss nur auf einer Brücke Uberschreitbar
und der Weg am Fluss durch eine Feldwache in befestigter Stellung und
durch zahlreiche Minen gesichert. Nördlich des Flusses sollte ein
befestigtes Lager und mehrere Stützengrähen sein.
Die Abteilung brach
am 7. 10. 14 5.00 vorm. vorn Lager auf und stand um 7.00 vorm. mit
der Spitze 1000 m südlich des Flusses, von wo aus das Lager auf 1300
m einzusehen war. Die Kompagnie ging mit Zug Wolff und 2
Maschinengewehren längs der Strasse auf 1100 m vor und eröffnete
mit den Maschinengewehren das Feuer auf das Lager und 2
hintereinander liegende Schützengräben östlich davon. Zur
Sicherung der Flügel war links Vizefeldwebel Findeisen mit 1 Halbzug
bis an den Mkurumuji-Fluss und rechts Kriegsfreiwilliger Kumbruch mit
1 Halbzug zur See hinausgeschoben. Zug Schäfer blieb an der Strasse
zu meiner Verfügung zurück. Im Rücken sicherten die 25 Araber
gegen Majoreni und Schimoni. Das Maschinengewehrfeuer wurde vom
Gegner nur mit schwachem Infanteriefeuer aus gut versteckten
vorgeschobenen Stellungen erwidert. Kompagnie Weise ging daher um
11.00 vorm. mit Zug Wolff und Zug Weidner und 2 Maschinengewehren
östlich der Strasse bis auf 800 m vor. Zug Schäfer links gestaffelt
in Reserve. Das Gelände östlich der Strasse Majoreni-Gazi war
flachwellige Grassteppe, die die letzten 600 m vor der feindlichen
Stellung keinerlei Deckung bot. Patrouillen, die gegen die Brücke
und links über den Fluss vorgegangen waren, meldeten, dass die
Brücke besetzt und im Lager Bewegung sei. 4 Verbindungspatrouillen
zu Abteilung Baumstark hatten diese nicht erreicht. Auch war
keinerlei Gefechtslärm zu hören von der über 4 km entfernten
Abteilung. Um 12.15 nachm. befahl ich lebhafteres
Feuergefecht. Sofort wurde das Feuer von einem Maschinengewehr und
aus langen Schützenlinien heftig erwidert. Durch das Feuer zeigte
sich, dass ein zahlreicher Gegner gut gedeckt in Schützengräben
diesseits und scheinbar auch jenseits des Flusses vom Lager bis nahe
der See lag.
– 87 –
Ein weiteres
Vorgehen war angesichts der starken feindlichen Kräfte, der
überlegenen Bewaffnung mit kleinkalibrigen Gewehren, der
vorzüglichen Stellung und dem völlig deckungslosen Angriffsgelände
ausgeschlossen. Um 3.30 nachm. versuchte der Gegner mit etwa 25
Europäern und ausserdem Askaris, aus dem Lager über den
Mkurumuji-Fluss gegen unsere linke Flanke vorzugehen. Als diese
Abteilung am Fluss auf die linke Seitenpatrouille der Kompagnie
stiess und dabei ein Engländer abgeschossen wurde, zog sie sich
zurück. Von der Abteilung Baumstark war ausser einem heftigen,
weitentfernten Feuer um 1.30 nachm. nichts gehört worden. Verbindung
durch Patrouillen herzustellen war nicht gelungen. Ich befahl daher
um 400 nachm. das Gecht abzubrechen. Die Kompagnie ging halbzugsweise
zurück, unbehelligt vom Gegner, der keinen Schuss mehr abgab. Um 430
nachm. trat die Kompagnie auf der Strasse Gazi Majoreni den
Rückmarsch an, lagerte von 93ü abends bis 400 morgens am Wege Gazi
— Kikoneni und trat am 8. 10. 10.30 vorm. in Kikoneni mit Abteilung
Baumstark zusammen. Diesseits keine Verluste, beim Gegner ausser
einem gefallenen Engländer unbekannt. Das Verhalten der Truppe war
gut. Es zeigte sich jedoch, dass der Askari mit seinem 71er sich dem
Gegner mit rauchschwaches Gewehr unterlegen weiss. Nur wenn man dem
Askari ein rauchschwaches Gewehr in die Hand gibt, wird man von ihm
ein Vorgehen gegen einen europäischen Gegner erreichen können. Aus
dem gut geführten Feuergefecht des Gegners, dem langen Zurückhalten
des Massenfeuers, spätem Einsatz des oder der Maschinengewehre, war
zu sehen, dass wir einem militärisch geschulten Gegner
gegenüberstanden. Truppen mit rauchstarken Gewehren kamen beim
Feinde nicht ins Feuer.
gez. v. Boemcken
Hauptmann.
Kommentare
Kommentar veröffentlichen