Diese drei Berichte schildern ein Grenzscharmützel zwischen
deutschen und belgischen Truppen an den Nordufern des Tanganyika-See, im
heutigen Burundi. Dieser Bericht lässt allerdings einige Zweifel, ob das wirklich
deutsche Truppen waren. Die Hauptakteure auf deutscher Seiten waren
afrikanische Krieger lokaler Herrscher. Sie werden als Speerträger oder auch
Hilfskrieger bezeichnet. Die berichtenden Offiziere legen großen Wert auf die
Bewaffnung dieser Hilfstruppen. Einige Krieger waren mit der Jägerbüchse 71
bewaffnet, vor dem Krieg die Standardwaffe der Schutztruppe. Andere wiederum
hatten Vorderlader, vermutlich Musketen aus den vorkolonialen Kriegen. Dann gab
es noch Krieger, die nur Speere hatten. Die Speerträger dienten der Aufklärung,
die mit Gewehren bewaffneten Krieger agierten im Grunde wie Soldaten der
Schutztruppe. Zwei Dinge lassen sich daraus herleiten: Einerseits gab es
unterschiedliche Grade der Einbeziehung der afrikanischen Krieger. Wurden sie
von der Schutztruppe bewaffnet, waren sie Soldaten nicht unähnlich. Die
Bewaffnung mit Vorderladern deutet eher darauf hin, dass sie von den lokalen
Herrschern gestellt waren und nur gelegentlich an den Kämpfen teilnahmen. Makuaruso,
der für das Gefecht 20 Krieger rekrutierte, mochte viele Gründe gehabt haben:
seine Loyalität den Deutschen gegenüber zu zeigen, Aussicht auf Beute oder
Belohnung oder vielleicht handelte unter Zwang. Andererseits, zeigt es eben
auch, dass dieser Krieg im Grunde eine Fortführung vor-kolonialer und
kolonialer Kriege war, in der Deutsche und Belgier nur zwei Parteien unter
anderen waren. Für die Rolle von Hilfskriegern im Krieg siehe ein Artikel von
mir.
Eine Muskete aus dem Jahre 1850. Das Foto ist aus den 1920ern. Diese Waffen spielten im ersten Weltkrieg immer noch eine wichtige Rolle |
Bericht über das am 26.9.1015 stattgehabte Nachtgefecht am kleinen Russissi.
Führer: Gefreiter der Landwehr Lech.
Gegner: Etwa 12 belgische Askari.
Expeditionsbefehl:
Kadjagga, den 26.9.1914 6.30 nachm.
1. Eben trifft Meldung ein, dass unser Speerträgerposten an
der Furt am kleinen Russissi von Belgiern (I Europäer und 30 Askari) nachm. 4
Uhr beschossen wurde, wobei ein Speerträger gefallen ist.
2. Alle Hilfskrieger sofort marschfertig machen.
Truppeneinteilung:
5 Hilfskrieger mit Jägerbüchse 71, 6 Hilfskrieger mit
Vorderlader.
Spitze: 7.30 abends, antreten.
Rest: 3 Askari, 4 Hilfskrieger mit Vorderladern folgen mit
mir auf 100 m Abstand.
Sultan Makuaruso mit 20 Vorderladern biegt an der Fähre am
grossen Russissi nach Süden zur Mündung des kleinen Russissi ab und sichert
dort.
gez. Lech, Gefreiter und Postenführer
Bericht
Kadjaga. Postensitz liegt ½ Stunde östlich des grossen Russissi. der 1 m
tief und etwa 60 m breit. Weg dorthin unter Umgehung von Sumpfpartien sandig,
teilweise Schilfgras, teilweise kräftigeres Gras. Insel zwischen grossen und
kleinen Russissi (2 Stunden) heisse sandige Steppe mit teilweise kurzem Gras
bestanden, nördlich und südlich des sandigen Weges übersichtliches Schilfgras,
Sumpf- stellen, von unseren Eingeborenen verlassen, einzelne Rundhütten mit
[25] Muhogofeldern. Am kleinen Russissi an der Furt der Fluss 1 m tief, etwa 25
in breit . Ufer flach, teilweise mit Schilfgras bestanden, in der Furt und
südlicher davon übersichtlicher. Auf belgischem Ufer 200 m nördlich der Furt Muhogofelder.
Hütten: südlich des Weges grosser Bananenhain 200 —300 m vom Fluss entfernt.
Nachm. war am kleinen Russissi eine belgische Abteilung unter
Führung eines Europäers, dem eine Hand fehlte, erschienen; versuchte unsere
Wache (8 Speerträger) unter Versprechen von Geld herüberzulocken, was diese
jedoch ablehnte. Darauf liess der Europäer 2 Salven abgeben, worauf ein
Speerträger fiel. Die Belgier verstärkten ihre Wache und gingen mit dem Rest
der Abteilung zurück; gegen 0 Uhr abends traf ich an der Furt am kleinen
Russissi ein. Ich ging vorsichtig und gedeckt, ausgeschwärmt bis auf 20 in an
den Fluss heran, wo ich bei Mondschein auf dem rechten Ufer 18 belgische Askari
erkennen konnte, die kriechend in Stellung gingen, teilweise dort schon lagen,
etwa 100 m entfernt. Ich liess dem Feind durch Askari Marungu zurufen, er möge
Gewehr und Patronen abgeben und herüber kommen. Daraufhin eröffnete der Gegner
das Feuer, welches wir erwiderten. Nach kurzem Feuergefecht von etwa ½ Stunde zog sich der Feind zurück unter Verlust
von 1 toten und einem leichtverwundeten Askari. wie ein Tags darauf mit Waffen desertierter
belgischer Askari angab. Da bis 2° vorm, nichts festzustellen war, trat ich den
Rückmarsch nach Kadjagga an.
Am 27. 9. gegen 8W vorm, traf Oberleutnant d. Seewehr I von
Falkenhausen in Kadjagga mit 10 Askari ein und gab den Befehl, mich mit 2
Askari, 10 Hilfskriegern mit Jägerbüchse 71 und 5 Hilfs- kriegern mit Vorderladern
seiner Patrouille nach dem kleiden Russissi anzuschliessen. Nach Meldung des
Postens am kleinen Russissi war die belgische zurückgekehrte Wache 25—30
Gewehre stark.
gez. Adolf Lech, Gefreiter und Postenführer.
Bericht über das am 27. 9. 14. stattgehabte Patrouillengefecht am kleinen Russissi.
Führer: Oberleutnant d. S. I. v. Falkenhausen.
Gegner: Belgischer Grenzposten ca. 25 Askari.
Expeditionsbefehl:
Usumbura. 27. 9. um 6.30 a. m.
1. Eben trifft Meldung vom Postenführer in Kadjagga ein.
dass unser Speerträgerposten in der Furt am kleinen Russissi gestern [26] nachmittag
von etwa 80 belgischen Askari unter 1 Europäer angegriffen wurde, wobei 1
Speerträger fiel. Gefreiter Lech ist heute Nacht zum kleinen Russissi
vorgegangen, wobei er von 11-12 Gewehren angegriffen wurde.
2. Oberleutnant v. Falkenhausen marschiert 7.00 mit 10 Askari
vor, um gegen den kleinen Russissi aufzuklären und den Gegner dort zu
vertreiben.
gez. Schimmer. Hauptman und Militärbefehlshaber von Urundi.
Bericht
Geländebeschreibung etc. siehe Gefechtsbericht des Gefreiten
Lech vom 26. 9. 14.
Gegen 11 Uhr vorm, kam ich am kleinen Russissi an, nachdem
ich mich in Kadjagga mit der nun 2 Askari, 15 Hilfskriegern (10 mit Jägerbüchsen
71 und 5 mit Vorderladern) bestehenden Patrouille den Gefreiten Lech vereinigt
hatte.
Ich lieg gedeckt im Schilfgins ausschwärmen und ging bis fast
an den Flussrand vor, von wo aus der in Schützenlinie liegende Gegner gut zu
erkennen war. Auf etwa 200 m Entfernung wurde das Feuer eröffnet. Nach kurzem
Feuergefecht lief der Gegner davon; ein Teil desselben fing auf 500 m noch
einmal zu schiessen an, zog anscheinend aber auch bald ab. Die Stellung war
selbst, mit Doppelglass nicht zu erkennen. Da der Gegner zu sehr auseinandergelaufen
war, hielt ich weiteres Vorgehen für zwecklos und zog die Askari in Deckung
zurück. Nach 20 Minuten ging ich nochmals bis an den Fluss vor, ohne etwas vom
Gegner entdecken zu können und ohne dass ein Schuss fiel. Ich rückte deshalb
nach Kadjagga zurück.
Verluste: beim Gegner 2 Mann gefallen beobachtet; diesseits
keine Verluste.
gez. v. Falkenhausen Oberleutnant der Seewehr
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