Gefechte am Nordufer des Tanganyika, 26.9.1914


Diese drei Berichte schildern ein Grenzscharmützel zwischen deutschen und belgischen Truppen an den Nordufern des Tanganyika-See, im heutigen Burundi. Dieser Bericht lässt allerdings einige Zweifel, ob das wirklich deutsche Truppen waren. Die Hauptakteure auf deutscher Seiten waren afrikanische Krieger lokaler Herrscher. Sie werden als Speerträger oder auch Hilfskrieger bezeichnet. Die berichtenden Offiziere legen großen Wert auf die Bewaffnung dieser Hilfstruppen. Einige Krieger waren mit der Jägerbüchse 71 bewaffnet, vor dem Krieg die Standardwaffe der Schutztruppe. Andere wiederum hatten Vorderlader, vermutlich Musketen aus den vorkolonialen Kriegen. Dann gab es noch Krieger, die nur Speere hatten. Die Speerträger dienten der Aufklärung, die mit Gewehren bewaffneten Krieger agierten im Grunde wie Soldaten der Schutztruppe. Zwei Dinge lassen sich daraus herleiten: Einerseits gab es unterschiedliche Grade der Einbeziehung der afrikanischen Krieger. Wurden sie von der Schutztruppe bewaffnet, waren sie Soldaten nicht unähnlich. Die Bewaffnung mit Vorderladern deutet eher darauf hin, dass sie von den lokalen Herrschern gestellt waren und nur gelegentlich an den Kämpfen teilnahmen. Makuaruso, der für das Gefecht 20 Krieger rekrutierte, mochte viele Gründe gehabt haben: seine Loyalität den Deutschen gegenüber zu zeigen, Aussicht auf Beute oder Belohnung oder vielleicht handelte unter Zwang. Andererseits, zeigt es eben auch, dass dieser Krieg im Grunde eine Fortführung vor-kolonialer und kolonialer Kriege war, in der Deutsche und Belgier nur zwei Parteien unter anderen waren. Für die Rolle von Hilfskriegern im Krieg siehe ein Artikel von mir.
Eine Muskete aus dem Jahre 1850. Das Foto ist aus den 1920ern. Diese Waffen spielten im ersten Weltkrieg immer noch eine wichtige Rolle 

Bericht über das am 26.9.1015 stattgehabte  Nachtgefecht am kleinen Russissi.

Führer: Gefreiter der Landwehr Lech.
Gegner: Etwa 12 belgische Askari.
Expeditionsbefehl:
Kadjagga, den 26.9.1914 6.30 nachm.
1. Eben trifft Meldung ein, dass unser Speerträgerposten an der Furt am kleinen Russissi von Belgiern (I Europäer und 30 Askari) nachm. 4 Uhr beschossen wurde, wobei ein Speerträger gefallen ist.
2. Alle Hilfskrieger sofort marschfertig machen.
Truppeneinteilung:
5 Hilfskrieger mit Jägerbüchse 71, 6 Hilfskrieger mit Vorderlader.
Spitze: 7.30 abends, antreten.
Rest: 3 Askari, 4 Hilfskrieger mit Vorderladern folgen mit mir auf 100 m Abstand.
Sultan Makuaruso mit 20 Vorderladern biegt an der Fähre am grossen Russissi nach Süden zur Mündung des kleinen Russissi ab und sichert dort.
gez. Lech, Gefreiter und Postenführer
Bericht
Kadjaga. Postensitz liegt ½  Stunde östlich des grossen Russissi. der 1 m tief und etwa 60 m breit. Weg dorthin unter Umgehung von Sumpfpartien sandig, teilweise Schilfgras, teilweise kräftigeres Gras. Insel zwischen grossen und kleinen Russissi (2 Stunden) heisse sandige Steppe mit teilweise kurzem Gras bestanden, nördlich und südlich des sandigen Weges übersichtliches Schilfgras, Sumpf- stellen, von unseren Eingeborenen verlassen, einzelne Rundhütten mit [25] Muhogofeldern. Am kleinen Russissi an der Furt der Fluss 1 m tief, etwa 25 in breit . Ufer flach, teilweise mit Schilfgras bestanden, in der Furt und südlicher davon übersichtlicher. Auf belgischem Ufer 200 m nördlich der Furt Muhogofelder. Hütten: südlich des Weges grosser Bananenhain 200 —300 m vom Fluss entfernt.
Nachm. war am kleinen Russissi eine belgische Abteilung unter Führung eines Europäers, dem eine Hand fehlte, erschienen; versuchte unsere Wache (8 Speerträger) unter Versprechen von Geld herüberzulocken, was diese jedoch ablehnte. Darauf liess der Europäer 2 Salven abgeben, worauf ein Speerträger fiel. Die Belgier verstärkten ihre Wache und gingen mit dem Rest der Abteilung zurück; gegen 0 Uhr abends traf ich an der Furt am kleinen Russissi ein. Ich ging vorsichtig und gedeckt, ausgeschwärmt bis auf 20 in an den Fluss heran, wo ich bei Mondschein auf dem rechten Ufer 18 belgische Askari erkennen konnte, die kriechend in Stellung gingen, teilweise dort schon lagen, etwa 100 m entfernt. Ich liess dem Feind durch Askari Marungu zurufen, er möge Gewehr und Patronen abgeben und herüber kommen. Daraufhin eröffnete der Gegner das Feuer, welches wir erwiderten. Nach kurzem Feuergefecht von etwa ½  Stunde zog sich der Feind zurück unter Verlust von 1 toten und einem leichtverwundeten Askari. wie ein Tags darauf mit Waffen desertierter belgischer Askari angab. Da bis 2° vorm, nichts festzustellen war, trat ich den Rückmarsch nach Kadjagga an.
Am 27. 9. gegen 8W vorm, traf Oberleutnant d. Seewehr I von Falkenhausen in Kadjagga mit 10 Askari ein und gab den Befehl, mich mit 2 Askari, 10 Hilfskriegern mit Jägerbüchse 71 und 5 Hilfs- kriegern mit Vorderladern seiner Patrouille nach dem kleiden Russissi anzuschliessen. Nach Meldung des Postens am kleinen Russissi war die belgische zurückgekehrte Wache 25—30 Gewehre stark.
gez. Adolf Lech, Gefreiter und Postenführer.
 

Bericht über das am 27. 9. 14. stattgehabte Patrouillengefecht am kleinen Russissi.

Führer: Oberleutnant d. S. I. v. Falkenhausen.
Gegner: Belgischer Grenzposten ca. 25 Askari.
Expeditionsbefehl:
Usumbura. 27. 9. um 6.30 a. m.
1. Eben trifft Meldung vom Postenführer in Kadjagga ein. dass unser Speerträgerposten in der Furt am kleinen Russissi gestern [26] nachmittag von etwa 80 belgischen Askari unter 1 Europäer angegriffen wurde, wobei 1 Speerträger fiel. Gefreiter Lech ist heute Nacht zum kleinen Russissi vorgegangen, wobei er von 11-12 Gewehren angegriffen wurde.
2. Oberleutnant v. Falkenhausen marschiert 7.00 mit 10 Askari vor, um gegen den kleinen Russissi aufzuklären und den Gegner dort zu vertreiben.
gez. Schimmer. Hauptman und Militärbefehlshaber von Urundi.

Bericht

Geländebeschreibung etc. siehe Gefechtsbericht des Gefreiten Lech vom 26. 9. 14.
Gegen 11 Uhr vorm, kam ich am kleinen Russissi an, nachdem ich mich in Kadjagga mit der nun 2 Askari, 15 Hilfskriegern (10 mit Jägerbüchsen 71 und 5 mit Vorderladern) bestehenden Patrouille den Gefreiten Lech vereinigt hatte.
Ich lieg gedeckt im Schilfgins ausschwärmen und ging bis fast an den Flussrand vor, von wo aus der in Schützenlinie liegende Gegner gut zu erkennen war. Auf etwa 200 m Entfernung wurde das Feuer eröffnet. Nach kurzem Feuergefecht lief der Gegner davon; ein Teil desselben fing auf 500 m noch einmal zu schiessen an, zog anscheinend aber auch bald ab. Die Stellung war selbst, mit Doppelglass nicht zu erkennen. Da der Gegner zu sehr auseinandergelaufen war, hielt ich weiteres Vorgehen für zwecklos und zog die Askari in Deckung zurück. Nach 20 Minuten ging ich nochmals bis an den Fluss vor, ohne etwas vom Gegner entdecken zu können und ohne dass ein Schuss fiel. Ich rückte deshalb nach Kadjagga zurück.
Verluste: beim Gegner 2 Mann gefallen beobachtet; diesseits keine Verluste.
gez. v. Falkenhausen Oberleutnant der Seewehr

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