Mythos Nr. 5: In Ostafrika kämpften (nur) Briten gegen Deutschen
Deutsche
und britische Geschichtsbücher habe lange Zeit die Teilnahme
belgischer und portugiesischer Truppen am Krieg in Ostafrika
heruntergespielt. Die entscheidenden Kämpfe fanden, so der Tenor, zwischen den
Briten und den Deutschen im Osten der deutschen Kolonie statt.
Die Force Publique in Rwanda |
Die Einnahme Kigalis durch belgische Truppen |
Bis zu
15.000 belgische und 7.000 portugiesische Soldaten waren an den
Kämpfen um Ostafrika zwischen 1916 und 1918 beteiligt. Belgische
Truppen stießen Mitte 1916 über Rwanda und den Tanganyika-See vor
und eroberten bis Ende des Jahres große Teile des Westens der
deutschen Kolonie, darunter auch Tabora, die provisorische
Hauptstadt. Portugiesische Truppen waren vor allem seit der deutschen
Invasion von Portugiesisch-Ostafrika im November 1917 in Kämpfe mit
den Deutschen verwickelt. Es hatte aber schon seit 1914, zwei Jahre
bevor Portugal offiziell in den Krieg eintrat, immer wieder
Grenzscharmützel gegeben.
Die Force Publique marschiert in Tabora ein |
Die belgische Fahne wird in Tabora gehisst. |
Anders
als die Briten setzten die Belgier vor allem afrikanische Soldaten
ihrer Force Publique ein, die Bulamatari. Sie waren den Deutschen in
der mobilen Kriegsführung durchaus gleichwertig. Wie die Deutschen
profitierten sie dabei von den Erfahrungen der Kolonialkriege. Die
portugiesischen Truppen, die in der Mehrheit aus Europäern
bestanden, waren dagegen kaum ebenbürtige Gegner. Obwohl sie sehr gut
ausgerüstet waren, konnten sie den Deutschen kaum nennenswerten
Widerstand entgegensetzen. (Mehr dazu...)
Das
Verhältnis zwischen Belgiern und Briten bzw. Südafrikanern war
nicht gut. Die Kooperation auf dem Schlachtfeld scheiterte oft an
Sprachproblemen, gegenseitiger Geringschätzung und imperialem Konkurrenzdenken. Wenige Belgier sprachen Englisch, die Briten
dagegen kaum Französisch. Die britischen Generäle schätzten die
Kampfkraft der afrikanischen Soldaten der Force Publique gering und
noch geringer ihre Disziplin. In der Tat kam es immer wieder zu
Übergriffen der Bulamatari auf die Zivilbevölkerung, selbst
britische Offiziere wurden von ihnen bedroht. Auch die belgische
Offiziere hielten nicht viel von ihren Alliierten. Sie bemängelten
die mangelnde Ausbildung vor allem der südafrikanischen Truppen und
die Inflexibilität der britischen Kommandeure.
Warum
dieser Mythos? Den Briten war nach dem Krieg daran gelegen, die Rolle
der Portugiesen und Belgier herunterzuspielen, da aus den Verbündeten
schnell Konkurrenten um das Erbe des deutschen Kolonialreiches
wurden. Militärische Erfolge waren eine wichtige Grundlage für
Ansprüche auf Territorien. Seit den Skandalen um die Kongogräuel
herrschte unter den britischen Kolonialpolitikern zudem eine tiefe
Skepsis gegenüber der belgischen Kolonialherrschaft. Die von
belgischen Truppen begangenen Kriegsverbrechen in Ostafrika schienen
diese Skepsis zu bestätigen. Sie drohten das Image von der gerechten Sache der Allierten zu beschädigen.
Die
Erinnerung an den Krieg in Ostafrika wurde über lange Jahre von
deutschen und britischen Offizieren dominiert. In Deutschland
fokussierte die Erinnerung auf Lettow-Vorbeck und der kämpfte vor
allem gegen die Briten und nicht gegen die Belgier. Nur wenige
deutsche Offiziere, die im Westen kämpften, kehrten vermutlich in
die Heimat zurück. Lettow-Vorbecks Bücher wurde ins Englische
übersetzt und damit auch Bestandteil der britischen und
US-amerikanischen Rezeption des Krieges. Die Bücher der belgischen
Offiziere dagegen blieben in der deutschsprachigen und anglofonen
Geschichte weitgehend unbeachtet.
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