Teil 1
Lettow-Vorbeck in Berlin, Januar 1919 (Quelle: Staatsbibliothek Berlin) |
Lettow-Vorbeck,
Ursprung und Autor vieler Mythen über den Krieg, war wohl auch
dessen größter Mythos. Erstaunlich ist die Langlebigkeit und
Wandlungsfähigkeit dieses Mythos Lettow-Vorbeck. Er hat beide
Weltkriege, die Weimarer Republik, den Nationalsozialismus, die
Bundesrepublik und die Wiedervereinigung überlebt. Preußische
Militaristen und Monarchisten haben ihn für ihre Dolchstoßlegende
benutzt, Nationalsozialisten bedienten sich seiner für ihre
Weltmachtpolitik, die 68iger erhoben Lettow-Vorbeck zur Zielscheibe
ihre Kritik am deutschen Imperialismus. Lettow-Vorbeck aber war nie
eine nur deutsche Angelegenheit. An ihm strickten auch Briten und
Amerikaner. Sie sahen in ihm die Verkörperung des Ideals vom
preußischen Offiziers oder professionellen Militärs. In dieser
Akzeptanz ist er vielleicht nur mit Erich Rommel vergleichbar und
wohl nicht zufällig war auch hier Afrika der Hintergrund dieser
Heldensaga. Während in Deutschland der Mythos Lettow-Vorbeck seine
ersten Risse bekommt, scheint er in der anglofonen Welt weitestgehend
intakt. Von welcher Seite dieser Mythos für welche Ziele auch immer
benutzt wurde, seine Zählebigkeit verdankt er vor allem den großen
Lücken in der Geschichte des Ersten Weltkriegs in Ostafrika.
Die Mythenbildung um
Lettow-Vorbeck begann schon am ersten Tag des Krieges als er von
seinen Offizieren als die Wiedergeburt Hermann Wissmanns gefeiert
wurde. Wissmann war der Begründer der Schutztruppe und erster
Reichskommissar für Ostafrika. Er stand für die militärische
Tradition der deutschen Kolonialherrschaft. Von seinen Offizieren
wurde er als ein Mentor verehrt. Wissmann verband Eroberung, Politik
und Wissenschaft wie kein zweiter in einer Person. Er verkörperte
damit ein Selbstverständnis preußischer Militärs, das in der
Heimat zu dieser Zeit unter Druck geraten war. 1871 hatten Militärs
die Vereinigung der Deutschen vollendet, bereits drei Jahre später
startete die Marine die erste Expedition des Kaiserreichs zur
Erforschung der Welt. Rund dreißig Jahre später hatten die Militärs
viel von ihrem Einfluss auf Politik und Gesellschaft des Kaiserreichs
verloren. Selbst in den Kolonien, die seit jeher Domäne der Militärs
gewesen waren, führten jetzt Beamte das Wort, die Gouverneure waren
nun Zivilisten. Enttäuscht hatten sich die Kolonialoffiziere auf
ihre Farmen zurückgezogen, wo sie mit Morgenappellen ihrer Arbeiter
und Bediensteten, die militärische Aura aus den Anfangstagen der
Kolonie wieder aufleben ließen.
Als Lettow-Vorbeck
in den ersten Tagen des Krieges dem Gouverneur Heinrich Schnee das
Kommando der Truppen entzog, brach auch der Konflikt zwischen
Militärs und Zivilbeamten wieder auf. Hermann Wissmann war in
Gestalt Lettow-Vorbecks tatsächlich wiederauferstanden und mit ihm
die Kontrolle der Militärs über die Kolonialpolitik restauriert.
Wenn auch nur für die Dauer von zwei Jahren. In der kolonialen Erinnerungsliteratur der Weimarer Republik lebte dieser Konflikt
allerdings fort. Lettow-Vorbeck und seine Offiziere fanden wenig
lobende Worte für die Leistungen der Kolonialverwaltung vor und
während des Krieges. Meist erwähnten sie sie nicht einmal. Feldzüge
und Heldentaten auf dem Feld der Ehre und Wissenschaft sollten das
Bild der Deutschen von ihren verlorenen Kolonien prägen.
Lettow-Vorbecks Rückkehr nach Berlin, Januar 1919 |
Für die Briten war
Lettow-Vorbeck ein unbequemer Gegner, der aus den Kolonialkriegen des
19. Jahrhunderts weitaus mehr gelernt zu haben schien als sie, die
wie kaum ein anderes europäisches Empire doch so erfahren in dieser
Kriegsführung waren. Doch die britischen Verantwortlichen wollten
diesen Krieg In Afrika wie in Europa führen. Technologie und
Organisation sollten den Sieg bringen und vor allem sollten nicht
Afrikaner diesen Krieg führen. Die Briten schätzen ihre
Kolonialtruppen als kaum geeignet für diesen Krieg. Die großen
Meutereien in Indien (1857) und Uganda (1897) ließen die Briten
stark an der Loyalität ihrer lokalen Soldaten zweifeln. Lange Zeit
galt die Doktrin, dass die europäischen Truppen des Empire den
Afrikanern und Asiaten mindestens eine Generation technologischer
Entwicklung voraus seien müssen. So hatten die indischen und
afrikanischen Truppen zu Beginn des Krieges meist nur veraltete
Gewehre und kaum Maschinengewehre. Kolonialoffiziere wie Richard
Meinerzhagen kritisierten diese Vernachlässigung der Kolonialtruppen
und sahen sie als wesentlichen Grund für die ausbleibenden Erfolge
gegen die Deutschen in Ostafrika. Lettow-Vorbeck verkörpert für sie
all das was die britischen Militärs hätten tun müssen. Bei
Meinertzhagen ging diese Kritik noch weiter: Der Verweis auf die Erfolge einer Kolonialherrschaft „the
prussian way“ war immer
auch eine Kritik an den vermeintlich verweichlichten Beamten in
Kenia. Nicht umsonst wurde er und Lettow-Vorbeck nach dem Krieg
Freunde.
Lettow-Vorbeck (1. v. l.) während des Kriegs in Ostafrika |
Der Krieg in
Ostafrika war für die Briten aus vielen Blickwinkeln ein Desaster, das daheim der
Erklärung bedurfte. Viele der militärischen Erfolge Lettow-Vorbecks
basierten nicht zuletzt auf dem Versagen seiner britischen Gegenüber.
Nur sprechen wollten darüber die wenigsten britischen Offiziere.
Besser war es da, den Gegner zu überhöhen.
Auch die Afrikaner
strickten am Mythos Lettow-Vorbeck mit. Das Ende des Krieges
bedeutete für viele der altgedienten Askari ein Verlust ihres Status
und ihres Einkommens. Zwar nahmen die Briten einige in ihre Truppen
auf, doch viele fristeten nach dem Krieg ein armseliges Leben. In den
letzten Jahren des Krieges hatten sie anstelle ihres Solds nur ein
Versprechen bekommen. Als die Deutschen gingen, schien dieses
Versprechen den Lohn nach dem Krieg auszahlen, vergessen. So
schrieben sie Briefe nach Deutschland, die Lettow-Vorbeck in hohen
Tönen lobten und nebenbei um Geld baten. Deutsche Zeitungen druckten
diese Briefe für ihre eigene Agenda ab, in der Lettow-Vorbeck und
seine Askari die Dolchstoßlegende bezeugen und die
Kolonialschuldlüge widerlegen sollten. Lettow-Vorbeck kehrte Mitte
der Zwanziger tatsächlich nach Ostafrika zurück, um den
ausstehenden Sold auszuzahlen. Die deutschen Behörden hatten dies
lange versucht zu verhindern, weil Deutschland unter der Last der
Reparationen litt. Die Briten dagegen befürchteten pro-deutsche
Demonstrationen.
Ein Abgesang auf die deutsche Herrschaft? Eine Askarikapelle während des Krieges |
Der
Lettow-Vorbeck-Kult unter den Askari nach dem Krieg hatte durchaus
auch anti-britische Töne. In den Männerwelten des Kolonialismus
waren militärische Erfolge eine wichtige Legitimation. Erstmals
konnten nun Afrikaner Europäern Lieder von ihren Siegen vorsingen.
Vor dem Büro des britischen Verwaltungsbeamten in Tanga soll es
immer wieder zu Siegesparaden ehemaliger Askari gekommen sein, die
den Briten an die Niederlage von 1914 erinnerten. Lettow-Vorbecks
Adjutant Thomas Plantan wurde nach dem Krieg Führer eines Tanz- und
Wohlfahrtsvereins, in der viele Askari zu den Mitgliedern zählten.
Er nannte sich „Majestät König von Hindenburg“ während seine
Tänzer in deutschen Uniformen an ihm vorbeimarschierten. Diese Tanz-
und Wohlfahrtsvereine bildeten die Keimzellen für erste
zivilgesellschaftliche Strukturen nach Krieg und gelten heute als
Vorläufer der TANU, die nach dem Zweiten Weltkrieg die
Unabhängigkeit erstritt.
Im zweiten und dritten Teil wird
es um eine Backpfeife für Hitler und den Vietnam-Krieg gehen.
By the way"Askari" means soldier,whether English,French,German Munyarwanda,Murundi,Congolese.
AntwortenLöschen