Bericht über ein Gefecht am Südende des Tanganyika, 11.9.1914

Dieser Bericht über ein Grenzscharmützel südlich des Tanganyika-See erwähnt erstmals die Beteiligung von Ruga-Ruga, afrikanische Krieger, die von den Deutschen angeworben wurden. Etwa 300 Ruga-Ruga nahmen an den Kämpfen teil. Obgleich der Verfasser des Berichts keine Angaben über die Anzahl der Askari, also der regulären Truppen, macht, dürfte ihre Zahl kaum ein bis zwei Dutzend überstiegen haben. Ruga-Ruga waren klar in der Überzahl und das war auf den westlichen Kriegsschauplätzen durchaus kein Einzelfall. Lettow-Vorbeck hat bereits in den ersten Kriegswochen, bedeutende Kontingente der regulären Feldkompanien aus dem Westen und Süden abgezogen. Den lokalen Kommandeuren blieb daher nichts anderes übrig, als sich vor Ort Alliierte zu suchen. Das waren in der Regel Chiefs, die ihre Krieger den Deutschen zur Verfügung stellten. Diese Allianzen beeinflussten die Art und Weise, wie die Deutschen in diesen Regionen Krieg führten. Die Deutschen konnten sich der Loyalität und Kampfbereitschaft ihrer Alliierten nie sicher sein. Der Bericht spricht davon, dass mehr als zwei Drittel der Krieger bei Ausbruch der Kämpfe geflohen seien.
Interessant ist die Erwähnung von „20 Swaheli Ruga-Ruga“, die offenbar nicht aus der Region, sondern von der Küste (oder anderswoher) stammten. Der Verfasser setzt sie von den lokalen Krieger ab. Sie fungierten offensichtlich als Söldner in Diensten der Deutschen, waren aber keine Askari, d.h. Soldaten der regulären Feldkompanien. Die Deutschen hatten seit dem Ende des 19. Jahrhunderts versucht, aus Ruga-Ruga Reservetruppen zu bilden. Vorbild war die preußische Landwehr. Ursprünglich waren Ruga-Ruga vor allem in Nyamwezi (auf dem Zentralplateau) bekannt. Sie verließen in der Regel auch nicht ihre Heimat. Im Ersten Weltkrieg kämpften Ruga-Ruga dann in der Tat an vielen verschiedenen Fronten. (Für eine ausführlichere Geschichte der Ruga-Ruga siehe hier)


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Bericht

Über ein Gefecht am Rumifluss am 11. 9. 1914


Unser Lager, das wir am 10.9.14 vormittags bezogen, befindet sich auf dem Nordufer des Rumi 2 ½ km in nordöstlicher Richtung vom Dorf Kusongoro entfernt, (s. Karte von Deutsch-Ostafrika F 2 Kalambo-Mün-
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dung 1:300 000). In der Nacht vom 10/11. 9. 14. wird die am Südufer des Rumi von Fife über Kawimbc nach Abercorn fübrende Strasse (auf der Karte nicht eingezeichnet) nach beiden Orten hin durch Askariposten mit je 10 Swaheli-Ruga-Ruga gesichert. Der Abmarsch in Richtung Songwe-Mündung nach deutschem Gebiet wird auf 5.30 vorm. festgesetzt.
In der Nacht wird ein Spion aufgegriffen, der von Abercorn her sich unserem Lager zu nähern versuchte; er gab an von einem Europäer zu Erkundungszwecken hergesandt worden zu sein; er wurde vorläufig festgenommen; sonst nichts Besonderes.
Um 5 Uhr früh am 11. 9. 14 werden unsere Posten an der Fife- Aborcorn-Strasse eingezogen; sie treffen gerade kurz vor dem Abmarsch um ein und melden, dass sie vom Feinde nichts bemerkt haben.
Mit 20 Swaheli an der Spitze und etwa 40 in Schützenlinie ausgeschwärmten Ruga-Ruga zur Sicherung nach vorne hat das geschlossene Gros der Europäer und Askari mit Geschütz das Lager etwa 100 m verlassen, als wir plötzlich in ganzer Ausdehnung der Kolonne vom Feuer zweier Maschinengewehre überraschend beschossen werden. Im ersten Augenblick suchte alles Deckung oder warf sich platt zu Boden; die Träger warfen die Lasten weg und flüchteten; desgleichen die Hilfskrieger mit Ausnahme der Swaheli. Das Verhalten der Askari war gut, auf Kommando besetzten sie in weiter Front eine Kette uns vorgelagerter Termitenhügel in Richtung des Feindes, um das Herannahen des Gegners auf Schussweite zu erwarten; nach den Seiten wurde zur Sicherung Polizeiwachmeister Glasder und Freiwilliger Unterwelz mit je 4—5 Askari vorgeschoben, da man unter dein Schutz der Maschinengewehre an eine seitliche Umfassung durch feindliche Askari dachte. Von den Europäern wurde langsam Feuer auf die im Tal sichtbaren, eingeborenen feindlichen Hilfskrieger aufgenommen und unser Geschütz von Tragestricken befreit, zusammengesetzt und in Stellung gebracht. Nach 10 Minuten, während deren ein ununterbrochenes Schnellfeuer der feindlichen Maschinengewehre unsere Linie bestrich, konnte die erste Granate in Richtung auf die feindlichen Maschinengewehre, die am Südufer des Rumi aufgestellt waren, abgefeuert werden. Ihre Wirkung war eine unerwartet gute, die feindlichen Hilfskrieger ergriffen die Flucht, desgleichen wurde das Maschinengewehrfeuer eingestellt und kurz darauf das Abziehen der Maschinengewehre gemeldet. Die Askari ergriff dabei Kampflust, ohne sich weiter zu decken gingen sie vor, um den abziehenden Feind zu beobachten und anzugreifen. Trotz dieser günstigen Wendung sah ich mich aber leider ausser Stande eine Verfolgung aufzunehmen, da zwischen uns und dem Feind eine 1 km breite, ganz freie und flache Mulde lag, die eine Annäherung bei den feindlichen Maschinengewehren als ausgeschlossen erscheinen liess, ganz abgesehen davon, dass unsere Geschütz, Munition-etc. Lasten dann ungedeckt zurückblieben und von der kleinsten Abteilung feindlicher Hilfskrieger uns weg-
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genommen worden konnten.
Auf die Meldung vom Zurückgehen des Gegners kehrten die Träger zu ihren Lasten zurück. sodass wir heim Rückmarsch sämtliche Lasten mit uns führten; ich möchte nicht versäumen, auf dieses gute Verhalten der Träger hinzuweisen, zumal unsere Hilfskrieger mit Ausnahme vom 40 — 50 Mann uns völlig im Stiche liessen und erst um folgenden Tag in geringer Anzahl sich wieder im Lager einfanden. Von 300 Hilfskriegern sind nach diesem etwas kritischen und gefährlichen Gefecht nur noch 70 – 80 Mann wieder zu uns zurückgekehrt; alle übrigen sind entlaufen und haben, wie ich befürchte, ausserdem beunruhigende Nachrichten nach Bismarckburg gebracht.
Ueber das Verhalten der Europäer kann ich mich nur lobend und anerkennend äussern; es war in der Gefahr ruhig und überlegt.
Die Verluste auf unserer Seite: 8 Ruga-Ruga tot und 8 z. T. schwer verletzt; das Gefechtsfeld wurde nach Verwundeten und Lasten etc. abgesucht; die Verletzten wurden nach Bismarckburg zurückgeschafft; Verluste des Feindes unbekannt. Die verhältnismäßig geringen Verluste sind nur dem ausserordentlich günstigen Gelände zuzuschreiben, indem unmittelbar hinter unserem Lager starker Baumschlag und zahlreiche Termitenhügel Schutz vor den Geschossen gewährte, die hageldicht in unserer Höhe einschlugen und deren Wirkung man au den Lasten noch nachträglich feststellen konnte.
Unter Zurücklassen einer starken Sicherung und Posten au der Grenze marschierten wir — wie beabsichtigt im wesentlichen in östlicher Richtung, passierten das Dorf Kapele, überschritten bei Rwangi den Songwe und bezogen auf dem nördlichen Höhenrücken des Komsissi ein befestigtes Lager. Um den Schein eines eiligen Rückzuges zu vermeiden, liess ich hier für den folgenden Tag Rasttag ansetzen.
Ich vermute, dass die feindlichen Maschinengewehre aus Abercorn stammten und nicht eventl. Verstärkungen aus Fife oder Kasama waren: über den Abmarsch von Abercorn war die dortige Besatzung ja rasch unterrichtet, sodass sie die Gelegenheit uns zu folgen in der folgenden Nacht ausführen konnte. Anscheinend hat sie sich aber doch verspätet, denn als wir kurz vor dem Abmarsch in geschlossener Kolonne vor dem Lager aufgestellt waren, wäre das Feuer noch bedeutend wirksamer gewesen, als später, wo wir hinter dem Lager sofort in Deckung kamen. Ein andere Vermutung geht dahin, dass der feind unsere Vorposten nicht ohne Alarm parieren konnte oder wollte und deshalb erst in Stellung ging, als die Posten zum Abmarsch ms Lager zurückgehrten. Die Zahl ihrer Begleitaskari muss als gering angesehen werden, da sie sonst in der Lage waren uns unter dem Schutz der Maschinengewehre von der Flanke zu fassen; zum mindesten wären ihnen sämtliche Lasten in die Hände gefallen
gez. Dr. Westhofen,

Oberarzt.
(Quelle: Deutsch-Ostafrika. Kaiserliches Gouvernement (n.d. [1914]). Zusammenstellung der Berichte über die in den August, September, Oktober 1914 stattgefundenen Gefechte der Kaiserlichen Schutztruppe für Deutsch-Ostafrika. Morogoro, Regierungsdruckerei.)
Das einzige mir bekannte Foto von Ruga-Ruga stammt aus dem letzten Kriegsjahr (Quelle: Dobbertin, 1932)


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