Der folgende Bericht
beschreibt die Beschießung der Hafenstadt Bagamoyo durch den
englischen Kreuzer Pegasus. Es war das zweite Bombardement einer
deutsch-ostafrikanischen Stadt durch britische Kriegsschiffe. Bereits
am 8. August hatte die Royal Navy die Haupstadt der Kolonie Dar es
Salaam beschossen. Hier war der Funkturm das primäre Ziel der
Briten. Für die Kriegsherren in London stand im August nicht die
Eroberung der deutschen Kolonien auf der Tagesordnung. Ihnen ging es
vielmehr um die Sicherung der Schiffahrtslinien des Empire. Am 6.
August hatte der deustche Kreuzer „Königsberg“ im Golf von Aden
ein britisches Handelsschiff versenkt. Die britische Admiralität sah
die Hafenstädte und Kommunikationsanlagen in den deutschen Kolonien
Afrikas als Stützpunkte für die deutsche Kreuzerflotte an.
Wichtigstes Ziel der Briten war es daher im August diese Strukturen
zu erobern oder zu zerstören. Paradoxerweise spielten die Kolonien
in den strategischen Überlegungen der Marine eine nur untergeordnete
Rolle. Keine der deutschen Hafenstädte war als Marinestützpunkt
ausgebaut und befestigt worden. Am 7. August überschritten im
Westafrika britische Truppen die Grenze zur deutschen Kolonie Togo.
Ihr Ziel war der Funkturm in Kamina, der Dreh- und Angelpunkt der
deutschen Kommunikation in Afrika. Am 25. August zerstörten die
Deutschen den Funkturm angesichts der nahenden Briten.
Die Zerstörung des
Funkturms von Dar es Salaam entsprach diesen Zielen der Briten, die
Beschießung Bagamoyos allerdings nicht. In der Stadt gab es weder
einen Tiefseehafen, der von deutschen Kriegsschiffen genutzt werden
konnte, noch einen Funkturm. Gouverneur Schnee hatte die Küstenstädte
der Kolonie zu „offenen Städten“ deklariert und mit der
britischen Flotte eine Übereinkunft getroffen, dass bei Abzug der
deutschen Truppen die Städte an der Küste von der Royal Navy
verschont blieben. Lettow-Vorbeck stellte sich diesem Abkommen
zunächst nicht entgegen. Er erwartete keine Landung britischer
Truppen in Dar es Salam oder Bagamoyo. Er konzentrierte seine Truppen
an der Nordgrenze, wo er zur Offensive übergehen wollte.
Wer brach das
Abkommen? Der Bericht bestätigt, dass bei Ankunft der Royal Navy
deutsche Truppen in Bagamoyo anwesend waren. Chappius, der Führer
der Kompanie, verhinderte die Anlandung eines britischen Beibootes,
deren Matrosen die Stadt inspizieren wollte. Er widerrief damit eine
Entscheidung des zuständigen Zivilbeamten in Bagamoyo, der seine
Erlaubnis für die Inspektion bereits gegeben hatte. Offensichtlich
hatte sich Chapius vorher bei Lettow-Vorbeck rückversichert, wie er
sich zu verhalten habe. Lettow-Vorbeck wollte Verhandlungen vor allem
aber eine Landung der Briten in welcher Form auch immer verhindern.
Der Bericht illustriert daher sehr genau, wie wenig Kontrolle Schnee
über seine Truppen hatte.
Die Briten
reagierten auf den Abbruch der Verhandlungen mit der Drohung, die
Stadt zu beschießen. Chapius ließ daraufhin die Stadt evakuieren.
Das folgende Bombardement verursachte zwar nur wenig Schäden, gab
den Deutschen aber Anlass für heftige Beschuldigungen an die Adresse
der Briten, sie hätten die Haager Landkriegsordnung gebrochen.
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Gefechtsbericht über die am 23. 8. erfolgte Beschiessung von Bagamoyo.
Am 22.8. traf die
17. Feldkompagnie in Bagamoyo ein. Hierselbst wurde gelagert und am
23. 8. wollte ich mit der Kompagnie am Nachmittage bis über den Ruvu
weitermarschieren. Am 23.8. 7 Uhr 30 Morgens zeigte sich eine kleine
Rauchwolke auf der See. Beobachtung mit dem Glase ergab einen Dampfer
mit 2 Schornsteinen. Gegen 8 Uhr zeigte es sich, dass der Dampfer ein
Kriegsschiff wäre, das in der Richtung nach Tanga dampfte. Plötzlich
änderte das Schiff seinen Kurs und steuerte auf Bagamoyo. Sofort
liess ich die Kompagnie das Lager abbrechen und stellte sie seitlich
des Bezirksamtes in einer Mulde auf. Leutnant d. R. Baldamus wurde
ans Telephon gesandt, uir mit dem Kommando in Verbindung zu treten.
Der Pegasus warf Anker und feuerte einen blinden Schuss ab zum
Zeichen, dass er unterhandeln wollte. Daraufhin fuhren der
Bezirksamtmann Michels mit dem Assistenten Lichtenstein und dem
Fähnrich v. Oertzen als Dolmetscher zum Pegasus hinüber. Da die
telephonische Verbindung mit Pugu nicht funktionierte, liess ich
telegraphieren und bekam den Befehl, die Verhandlungen abzubrechen
und eine Landung mit Waffengewalt zu verhindern. Um 11 Uhr traf die
Pinasse des Pegasus mit 2 Booten am Strande ein. Da ich das Telegramm
bekommen hatte, „falls Verhandlungen nicht mehr zu verhindern, nur
Parlamentär mit verbundenen Augen ans Land lassen,“ winkte ich
sofort „Halt“ und befahl den Booten sofort umzukehren. Die Boote
waren mit Matrosen ohne Waffen unter Führung eines Kapitän-Leutnants
bemannt und hatten vom Bezirksamtmann die Erlaubnis erhalten, Post
und Kabel zu besichtigen.
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Um 1 Uhr kam die
Pinasse mit einem Boot, sowie das Boot des Bezirksamts zurück und
der gleiche Offizier überbrachte die gemachten Verhandlungen. Ich
erklärte ihm durch den Dolmetscher v. Oertzen, dass die
Verhandlungen ungültig wären und Landungsversuche mit Waffengewalt
verhindert werden würden. Der Engländer erklärte hierauf, dass er
die Stadt beschiessen würde und gab eine Stunde Frist. Ich erklärte
die Frist für zu kurz und verlangte 6 Stunden. Hierauf ging er nicht
ein, sondern setzte 1 ½ Stunde Frist fest. Das Hospital und die
Mission erklärte er für neutral. Die Jumben hatte ich bereits
vorher rufen lassen und ihnen eine voraussichtliche Beschiessung der
Stadt vorausgesagt, desgleichen den verheirateten Europäern. Ich
befahl die sofortige Räumung der Stadt und sandte Späher nach
rechts und links heraus. Dann begab ich mich zur Post und befahl,
diese um 2 Uhr zu verlassen und nur oberflächliche Unterbrechungen
vorzunehmen. Hierauf begab ich mich zur Kompagnie und sandte 1
Maschinengewehr mit einer Gruppe unter Feldwebel Lange nördlich und
das zweite unter Leutnant Frhr. v. Lyncker südlich der Stadt hinaus
mit dem Befehl, landende Boote möglichst nahe heranzulassen und dann
unter Feuer zu nehmen. Die Kompagnie führte ich südlich der Stadt
etwa 1 ¼ km ausser Strichfeuer gedeckt hinter einen Abhang. Zur
Kompagnie traten noch der Vermessungsassistent Schuhmacher und der
Missionar (Name unbekannt) hinzu. Ich selbst ging mit Leutnant d. R.
Baldamus an den Strand um etwaige Bootsbewegungen der Engländer zu
beobachten.
Um 2.30 hatte ich
auf dem Bezirksamt die deutsche Flagge wieder aufziehen lassen und
kurz darauf ertönte der erste Schuss.
Die Engländer
feuerten etwa 36 Schuss auf das Bezirksamt, wovon viele zu kurz ins
Wasser schlugen. 4 Granaten trafen das Bezirksamt, eine zu kurz
gehende das Wissmanndenkmal. Mehrere zu kurz gehende trafen das Haus
des Zollassistenten, welches erheblich demoliert wurde, da es sehr
leicht gebaut war. Die sonstige Wirkung war äusserst gering. Um 2.50
stellte der Pegasus das Feuer ein und dampfte nach
Zanzibar ab. Verluste an Menschenleben waren nicht. Die Kompagnie
liess ich mit klingendem Spiel wieder einrücken. Das Verhalten der
Bevölkerung war ausgezeichnet.
gez. v. Chappuis Oberleutnant
Bilder von der Beschießung Dar es Salaams. Hier der zerstörte Gouverneurspalast |
Als Reaktion auf die Beschießung der Küstenstädte ließ das Gouvernement Schutzgräben von der lokalen Bevölkerung ausheben. Hier die Arbeiten in Dar es Salaam |
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