Bericht über ein Gefecht am Kilimanjaro, 29.8.1914

Der erste Bericht, eine kurze Meldung über ein Angriff alliierter Schiffe auf einen deutschen Posten am Nyassa-See, sei hier nur der Vollständigkeit halber aufgeführt. Der zweite Bericht führt uns zurück an die Nordgrenze der Kolonie, der Kilimanjaro-Region. Wie aufseiten der Deutschen hatten sich in der britischen Kolonie Kenya bei Ausbruch des Krieges Freiwilligeneinheiten aus Siedlern gebildet, die gewillt waren, den Strauss mit den Deutschen auch auf afrikanischem Boden auszufechten. Sowohl auf deutscher wie auch auf britischer Seiten bildeten ehemalige Offiziere einen bedeutenden Teil der europäischen Siedlercommunities. Koloniale Herrschaft war in dieser Zeit nicht nur eine Herrschaft der Militärs, sondern auch der ehemaligen Militärs. 
Den rasch formierten Einheiten gaben die Kriegsfreiwilligen wohlklingende Namen wie „Bowker’s Horse“, „Plateau South Africans“, „Legion of Frontiersmen“, oder „Wessel’s Scouts“. Weitaus weniger Sorgfalt widmeten sie ihrer militärischen Ausbildung und Disziplin. Streitigkeiten aufgrund der Unterordnung der einst in Offiersrang stehenden Freiwilligen in die neu etablierte militärische Hierarchie waren an der Tagesordnung. Militärischer Drill und Waffenübungen waren dagegen eine Seltenheit. Die Freiwilligen konnten nur mit Mühe zum Exerzieren gebracht werden, vermerkte mit einiger Bitterkeit der britische Offier Richard Meinertzhagen. Die Freiwilligeneinheiten wurde in zwei Regimentern zusammengefasst: in das „East Africa Regiment“ und die „East African Mounted Rifles“. Sorgfältig achteten die europäischen Freiwilligen auf eine Trennung von den afrikanischen Truppen der Kolonie, den „King’s African Rifles“. 
Der Bericht schildert vermutlich einen der ersten Gefechte zwischen deutschen Truppen und britischen Freiwilligeneinheiten.
Der Bericht gibt einen wichtigen Hinweis auf die militärische Struktur der deutschen Truppen. Schon vor dem Krieg hatten die Kolonialmilitärs ein ständiges Korps von „Kompagnieträgern“ geschaffen, die fest in die jeweilige Kompagnie integriert waren. Sie sollten die Mobilität der Schutztruppe bei Feldzügen gegen die aufständische afrikanische Bevölkerung erhöhen. Diese Kämpfe führten die Schutztruppe in der Regel in Gegenden, wo es kaum eine Infrastruktur gab und wo der koloniale Staat nur wenig präsent war. Die deutschen Kolonialtruppen sollten ihren Nachschub jederzeit selbst garantieren können. Als Teil der regulären Kolonialtruppen erhielten die Kompagnieträger Uniformen sowie eine rudimentäre militärische Ausbildung.
 Im Ersten Weltkrieg erfüllten sie neben dem Transport und der Sicherung des Nachschubs vielfältige Aufgaben. Sie wurden bei der Einrichtung von Verteidigungsanlagen sowie, wie im Bericht deutlich wird, auch zur Bewachung von neu rekrutierten Trägern eingesetzt. Im Laufe des Krieges, vor allem ab 1916, waren die Kompagnieträger ein wichtiger Pool für neue Rekruten. Der Bericht erwähnt die Bewaffnung der Träger mit Gewehren des Typs M71. 
Das wirft die Frage nach der tatsächlichen Stärke der deutschen Truppen 1914 auf. Laut Strachan gab es zu Beginn des Krieges 14 Feldkompanien, die jeweils zusammen mit 16 bis 20 Offizieren, 150 bis 200 Askaris und etwa 200 bis 250 Trägern auf 400 Mann kamen. Zu den „offiziellen“ 2.542 Askari kamen noch einmal mindestens 2800 bewaffnete Träger hinzu. Kolonialtruppen wie die deutsche Schutztruppe mochten zwar in vielem ihren europäischen Vorbildern ähnlich gewesen sein, sie waren dennoch in vielen Dingen sehr unterschiedlich. Dazu gehörten das Nebeneinander ganz unterschiedlicher Formen der Einbeziehung in die militärischen Strukturen.




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Auszug aus Bericht der 5. Feldkompagnie vom 29. 8. 14

pp.
Unsere Vorposten In Kaporo, südlich Songwe-Mündung (Karte 1:300000) und die vorgeschobene Abteilung unter Oberleutnant v. Veltheim wurden am 25. 8. von den Schiffsgeschützen erfolglos beschossen, der Kaporo-Posten wurde am 26.8. im Morgengrauen überfallen, aber gehalten, diesseits keine Verluste. Führer Sergeant Gorysch.
pp. gez. v. Langenn.



Bericht über das am 29. August stattgehabte Gefecht am Engare-Len-Fluss.

Führer: Leutnant v. Oppen.
Gegner: Etwa 36 Engländer auf Pferden, 16 Massai.
Expeditionsbefehl:
Herrn Leutnant v. Oppen
Himo-Lager.
Sie erhalten hierdurch den Befehl, Bahn und Telegraph bei Tsavo zu zerstören bezw. zu unterbrechen.
Neu-Moschi, den 27. 8. 1914.
Kommando der Nordtruppen. I. V.
gez. Schulz,
Hauptmann.
Truppeneinteilung: 2 Chargen, 19 Askari, 11 Kompagnie-Träger mit Büchse 71.
v. Oppen,
Leutnant.

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Bericht:

Am 27. 8. um 4 Uhr nachm, marschierte ich mit meiner Abteilung und dem Freiwilligen Trautmann vom Himo-Lager nach Marangu, wo ich lagerte. Am 28. 8. 6 Uhr morgens marschierte ich von Marangu nach Rombo ab. Unterwegs meldeten sich bei mir Leutnant d. R. Ott und Leutnant a. D. Leitgebel, die den Befehl erhalten hatten, sich mir anzuschliessen.
Am 29. 8. marschierte ich zum Engare-Len, wo ich ca. 1 Uhr nachm, lagerte. Als ich ca. 3 Uhr nachm, die beiden ausgestellten Posten revidierte, und mit den Leutnants Ott und Leitgebel die Gegend mit den Fernglas absuchte, meldete mir letzterer die Annäherung einer Reiterkolonne, die wir alsbald als feindliche und in der angegebenen Stärke erkannten. Die Reiter waren auf Pferden berittene Europäer, die in bester Ordnung (Reihenkolonne) mit zahlreichen Sicherungen und vorgeschobenen bewaffneten Massai heranmarschierten. Ich entschloss mich den Gegner anzugreifen. Hierzu besetzte ich zunächst in voller Deckung eine Höhe, bereitete den Feuerüberfall vor und ging in Stellung, als der Gegner, der eine Rechtsschwenkung um die Höhe ausführte, mit seinen linken Seitendeckungen Einblick in mein Lager bekommen musste.
Die erste Salve mit Visier 600 m sass gut im Gegner, der, völlig überrascht, erst stutzte, dann in voller Panik die ca. 600 m lange Grassteppe zurückgaloppierte. Ich folgte mit Feuer von meiner überhöhenden Stellung und ging mit den Visieren auf 800 m, schliesslich bis 1200 m herauf. Der Gegner erlitt deutlich sichtbar Verluste. Mehrere Reiter, Pferde und Eingeborene fielen.
Bei Visier 1200 m erreichte der Gegner einen Akazienwald, aus dem er sogleich ein heftiges Salven- und Schützenfeuer gegen meine Stellung eröffnete. Das Feuer des Gegners blieb wirkungslos, während aus später aufgefundenen blutigen Bekleidungsstücken hervorgeht, dass der Gegner auch in seiner Feuerstellung noch Verluste erlitt. Nach ca. 20 Minuten Feuerdauer brach der Gegner das Gefecht ab und setzte seine Flucht fort. Auf 1600 m nochmals zum Vorschein kommend, wurde er von dem als Sicherung mit einigen Askaris auf der Höhe verbliebenen Leutnant a. D. Leitgebel nochmals beschossen.
Vom Erscheinen des Gegners bis zur Feuereröffnung verging die Zeit von 3 Uhr bis 3.30 nachm, ca., von da bis zum letzten Schuss 3.30 bis 4.30 nachm. ca. Nach übereinstimmenden Beobachtungen der Europäer und Askari fielen 6 Engländer, 3 Pferde, 1 berittener Schwarzer, 1 Massai. Spätere Funde lassen aber noch grössere Verluste des Gegners vermuten.

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Eine Verfolgung des sehr gut bewaffneten und berittenen, mir erheblich überlegenen Gegners in ungünstiges Gebinde hinein erschien mir bei der Tageszeit nicht zweckmässig. Ich lagerte nachts bei Farm Leitgebel am Moorrand der Landschaft Rombo. Der 13. Feldkompagnie sandte ich Meldung und bat um Zuteilung eines Maschinengewehrs, um, dadurch verstärkt, meine Aufgabe durchführen zu können. Am 31.8. erhielt ich jedoch den Befehl, die Kompagnie in Rombo abzuwarten. Das Verhaften der Europäer und Askaris während des Gefechts war tadellos. Die mit 71 er Büchse ausgerüsteten Kompagnieträger erfüllten ihre Aufgabe, die Warangi-Träger, welche durch einige in der Nähe des Lagers einschlagenden Geschosse ängstlich wurden, bei ihren Lasten festzuhalten.
gez. v. Oppen
Leutnant

(Quelle: Deutsch-Ostafrika. Kaiserliches Gouvernement. n.d. [1914]. Zusammenstellung der Berichte über die in den August, September, Oktober 1914 stattgefundenen Gefechte der Kaiserlichen Schutztruppe für Deutsch-Ostafrika. Morogoro: Regierungsdruckerei.)
Deutsche Freiwillige zu Pferde 
Die Schutzruppe auf Eseln

Askari und Träger beim Ausheben von Schützengräben

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