Ende
September wurden die Kämpfe im Nordosten der Kolonie, vor allem in
der Kilimajaro-Region, härter. Für ostafrikanische Verhältnisse
nahmen an diesen Kämpfen nun größere Verbände teil. Dafür war
vor allem die Ankunft indischer Truppen und der Sieg der
„Kriegspartei“ von Lettow-Vorbeck verantwortlich. Der Gouverneur
der Kolonie, Heinrich Schnee, immer noch formell der Oberbefehlshaber
der Truppen, geriet immer mehr ins Abseits. Lettow-Vorbeck dagegen
konnte seine Vision einer „offensiven Verteidigung“ nun
ungehindert durchsetzen. Das im Bericht geschilderte Gefecht ist ein
Paradebeispiel dieser Taktik. Den Deutschen ging es weniger darum,
britisches Territorium zu besetzen, als die Briten zu beschäftigen
und ihre Stärke auszutesten. Das Gefecht endete daher weder mit
einer Niederlage noch einem Sieg, wohl aber mit der Erkenntnis, dass
die leichten Erfolge des Monats August so einfach nicht zu
wiederholen waren.
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(Quelle: Deutsch-Ostafrika. Kaiserliches Gouvernement, Zusammenstellung Der Berichte Über Die in Den August, September, Oktober 1914 Stattgefundenen Gefechte Der Kaiserlichen Schutztruppe Für Deutsch-Ostafrika, (Morogoro: Regierungsdruckerei, n.d. [1914]).)
Der
Bericht enthält einen wichtigen Verweis auf Kriegsverbrechen. Der
Verfasser des Berichts beschuldigt britische Truppen, die Fahne des
Roten Kreuzes missachtet und Verwundetentransporte beschossen zu
haben. Im September 1914 hatte die europäische Debatte um
Kriegsverbrechen auch die Kolonien erreicht. Fortan sollten beide
Seiten sich in gegenseitigen Beschuldigungen üben. Das war für den
kolonialen Kontext durchaus eine Novität. Erstmals, so scheint es,
galten auch afrikanischem Boden Regeln für eine humanere
Kriegsführung.
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Bericht über das am Tsavofluss (Mündung des Loldureish) am 26. September 1914 stattgehabte Gefecht.
Führer: Hauptmann
Schulz.
Gegner: Etwa 400 –
500 Gewehre, bestehend aus etwa 2 Kompagnien Inder, 1 Kompagnie
Somali, 50
Europäern, 3 Maschinengewehren, 1 – 2 kleineren Geschützen.
Expeditionsbefehl:
Die 4. Feldkompagnie
hatte den Befehl erhalten, nach Tsavo hin aufzuklären und die
Kyulu-Berge von feindlichen Postierungen zu säubern. Am 25.
September war die 4. Feldkompagnie auf stärkere feindliche Kräfte
an der Mündung des Loldureisch-Flusses in den Tsavo gestossen. Da
sie sich zu schwach fühlte, allein diesen Feind anzugreifen,
entschloss sich Hauptmann Schulz, mit seiner Abteilung
und der 4. Kompagnie den Angriff zu unternehmen.
Truppeneinteilung :
(zugleich Marschordnung)
Vorhut 4.
Kompagnie Führer Hauptmann Rothert,
Patrouillenkorps – – Oberleutnant Steinhäuser,
13. Kompagnie 1. Zug – – – – Gaethgens,
Maschinengewehrabteilung
der 13. Kompagnie – – Leutnant Langen
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2. Zug Führer
Leutnant von Oppen
Nachspitze – – – – Ott und 8 Mann
Bewaffnung:
Karabiner 98.
Für den verwundeten
Kompagnieführer
gez. Langen,
Leutnant.
Das Gelände an dem
Einfluss des Loldureisch in den Tsavo ist mit dichtem Dornbusch
bedeckt. Westlich des Loldureisch-Flusses lichtet sich der Busch:
doch ist die Bewachsung selbst so stark, dass ein gedeckter Anmarsch
unmöglich war. In dem spitzen Winkel zwischen beiden Flüssen
befindet sich eine ziemlich freie, mit erstarrter Lawa bedeckte
Kuppe. Auf dem Ostufer des Loldureisch zieht sich von Norden her ein
sehr flacher Rücken zum Tsavo herab. Dieser ist gleichfalls mit
Busch bedeckt. Südlich des Tsavo befindet sich sehr dichter Busch,
der eine Verwendung von .Maschinengewehren gegen die engl. Stellung
ausschliesst. Beide Flüsse sind tief eingeschnitten und führen
stark fliessendes Masser. Der Tsavo ist etwa 12 m breit und
1,40—1,80m
tief, der
Loldureisch etwa 10m breit und 1,30—1,60 m tief.
Am 25.9. Mittags
erhielt die etwa an der Biegung des Tsavo (nach Osten) lagernde 13.
Feldkompagnie durch die 4. Feldkompagnie die Nachricht, dass sich an
der Mündung des Loldureish in den Tsavo der Feind in befestigter
Stellung aufhalte. Offizier-Patrouillen der 4. Kompagnie seien
beschossen, der Lagerplatz der 4. Kompagnie nach dem Abmarsch
derselben durch Maschinengewehre unter Feuer genommen.
Auf Grund weiterer
Meldungen über starkes Gewehrfeuer in Richtung auf die 4. Kompagnie
rückte die 13. Kompagnie mit dem Patrouillenkorps und Abteilung
Frhr. v. Bock am 26. 9. 14 7.00 vorm, der 4. Kompagnie entgegen, in
der Absicht, einen Maschinengewehrüberfall auf das feindliche Lager
auszuführen.
Die Kompagnie
marschierte in Stärke von 2 Zügen und 4 Maschinengewehren (7
Offiziere, 1 Arzt, 9 Unteroffiziere, 2 sonstige Europäer, 100
Askari, 29 Kompagnieträger) ohne Gepäck und Verpflegung, um auf
alle Fülle ins Standlager zurückzukchren und dort die 600 für
weitere Truppen eingetroffenen Verpflegungslasten für die die 13.
Kompagnie verantwortlich war, zu schützen. Um 8.30 vorm. traf die
Kompagnie mit der 4. Kompagnie zusammen. Die Leutnants Kaufmann und
Götz der 4. Kompagnie erhielten hier vom Hauptmann Schulz Befehl,
die Anmarschwege zur feindlichen Stellung, sowie diese selbst zu
erkunden.
Leutnant Langen, der
Führer der Maschinengewehrabteilung der 13. Kompagnie, erhielt
Befehl, Stellungen für die Maschinengewehre festzulegen und
persönlich Meldung zu erstatten.
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Die Abteilung Frhr.
v. Bock wurde der 4. Kompagnie zugeteilt. Um 12.00 mittags traten die
beiden Kompagnien mit dem Patrouillenkorps in vorstehender
Truppeneinteilung den Vormarsch an.
Um 1.35 nachm. traf
die mündliche Meldung des Leutnant Kaufmann ein, dass sich auf dem
rechten Ufer des Tsavo hart an der Loldureish-Mündung zwei engl.
Lager befänden. Die Stärke
des Feindes betrage
wahrscheinlich 1 Zug, höchstens 2 Züge und 1 Maschinengewehr; 2
Schützengräben seien vorhanden, doch dies seien Scheinstellungen.
Um l.45 nachm. traf
Leutnant Langen mit der Meldung (Gegner feuert Salven und mit 1
Maschinengewehr. Stärke des Gegners unbekannt) ein.
Daraufhin befahl
Hauptmann Schulz den weiteren Vormarsch, gleichzeitig ordnete er an,
dass die Kompagnie auf alle Fälle vor Dunkelheit nach dem alten
Lager zurückzukehren habe. Um 2.10 nachm. traf die Spitze am
Loldureish ein. Die Maschinengewehre der 4. Kompagnie erhielten
Befehl, diesseits des Loldureish in Stellung zu gehen. 2.15 eröffnete
der Gegner das Feuer.
Unter dem Schutze
eines Halbzuges überschritt der erste Maschinengewehrzug der 13.
Kompagnie (Konrad und Braun) den Fluss und erhielt von mir den
Befehl, nahe am Ufer in Stellun gzu gehen und das Feuer auf den
Gegner zu eröffnen. Beide Gewehre erhielten starkes Feuer.
Unterdessen
überschritt ein weiterer Zug der 4. Kompagnie den Loldureish und
ging links von den Maschinengewehren in Stellung. Es folgte der 2.
Maschinengewehrzug der 13. Kompagnie (Thöt und Mann). Ich befahl
ihm, etwa 80 m links von dem 1. Maschinengewehrzug in Stellung zu
gelten. Das Feuer wurde auf etwa 400—500 m aufgenommen.
Deutsche Truppen mit Artillerie auf dem Marsch |
Da währenddessen
die Schützen der 4. Kompagnie, die selbst lebhaft beschossen, den
Gegner nicht sehen konnten, vorgegangen waren, befahl ich den
Leutnant v. Knebel-Döberitz mit dem 2. Maschinengewehrzug in die
Schützenlinie vorzugehen.
Da ferner der 1.
Maschinengewehrzug links durch die Schützen der Kompagnie, rechts
durch ebenfalls vorgehende eigene Truppen (auf dem andereren Ufer) in
seinem Feuer behindert war, liess
ich auch ihn
Stellungswechsel vornehmen und zwar Maschinengewehr Konrad zur
Unterstützung des 2. Maschinengewehrzuges.
Dort hatte
Maschinengewehr Mann durch Verschieben dir Patronen in den Gurten
während des Marsches häufig Ladehemmungen und war zeitweise ausser
Gefecht.
Währendessen hatte
der Feind seinen rechten Flügel verlängert und beschoss auch die
Maschinengewehre aus der linken Flanke durch ein Geschütz. Hiergegen
wurde Maschinengewehr Braun auf dem rechten Flügel eingesetzt.
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60 –
in
dieser Stellung war das Feuer des Gegners besonders lebhaft. Einzelne
Gewehre, Salven, Maschinengewehr und Geschützfeuer waren deutlich zu
unterscheiden. Der Gegner selbst war auch hier nur vereinzelt
sichtbar, da er sich hinter Steinen, Büschen und in Gräben sehr gut
verbarg. Doch gelang es den Maschinengewehren, durch gemeinsames
Feuer den Gegner häufig für kürzere Zeit zum Schweigen zu bringen.
Inzwischen
marschierte der 1. und 2. Zug der 13. Feldkompapnie vor. 2.55 nachm,
erhielten sie Feuer aus der rechten Flanke, Ein Gegner wurde nicht
gesehen Da der dichte Dornbusch eine Entwickelung nach rechts
verhinderte, wurde der Marsch gedeckt fortgesetzt. Inzwischen
überbrachte Oberstleutnant Frhr. v. Bock den Befehl, die Züge
sollten halten und auf weitere Befehl des Hauptmann Schulz warten.
Hauptmann
Schulz war nahe den Maschinengewehren der 4. Kompagnie (rechtes
Loldureishufer) vorgegangen, um die Wirkung des Maschinengewehrfeuers
zu beobachten. Er beabsichtigte, die Züge nur im Notfall
einzusetzen. Da indessen das Feuer gegen die beiden Züge der 13.
Kompagnie heftiger wurde, jetzt auch von rechts vorwärts, besetzen
sie eine Höhe, der 1. Zug links, der 2. Zug rechts.
Deutsche Truppen in Reservestellung am Kilimanjaro |
Unter
sehr heftigem Feuer von der Höhe, auf der in ausgezeichnet gedeckter
und verschanzter Stellung der Gegner auf einer Entfernung von etwa
400 m lag, wurde abschnittweise vorgegangen, ln vortrefflicher
Feuerdisziplin lagen die beiden Züge, ohne das unsererseits das
Feuer wirksam wegen der Unkenntlichkeit der feindlichen Schützen
erwidert werden konnte, auf der mit Gestein und vereinzelten Büschen
bedeckten Höhe.
Bei
der geringsten Vorwärtsbewegung eines Schützen konzentrierte sich
ein heftiges Feuer auf diese. Da erkannt wurde, dass von hier aus
eine Wirkung nicht erzielt werden konnte, wurde von Oberleutnant
Gaethgens der Entschluss gefasst, die Stellung mehr nach rechts zu
legen, um wirksamer gegen die linke Flanke des Gegners vorzugehen und
ihn womöglich zu umfassen.
Hauptmann
Schulz, der sielt während des Gefechtes im stärksten feindlichen
Feuer aufgehalten hatte, und selbst nach seiner schweren Verwundung
noch eine ½ Stunde das Gefecht am rechten Flügel leitete, hatte
inzwischen erkannt, dass mit den vorhandenen Kräften die Stellung
des Gegners, die durch Natur und künstlichen Ausbau aufs stärkste
befestigt war, nicht zu nehmen sei.
Er
gab deshalb 3.50 nachm. den Befehl, sich vom Gegner zu lösen und den
Marsch nach dem am Tsavo gelegenen alten Lager der 13. Kompagnie
anzutreten. Der Rückmarsch erfolgte unter starkem feindlichen Feuer.
Hauptmann Schulz liess persönlich die Züge in Deckung antreten.
Dann wurde in aller Ordnung der
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Rückmarsch
angetreten. Vom 2. Zuge waren Betschausch Pumilla mit 2 Askari
zurückgeblieben, um ein stark gefährdetes Maschinengewehr der 4.
Kompagnie zuriickzuholen. In voller Ordnung wurde abmarschiert. 6.30
abends trafen beide Züge im Lager ein.
Die
Verbindung zum linken Ftügel war inzwischen abgebrochen. Mehrfache
Versuche, sie wieder aufzunehmen scheiterten.
Die
Maschinengewehre der 13. Kompagnie feuerten hier unterdessen unter
einheitlicher Leitung. Trotz des immer mehr anschwellenden
feindlichen Feuers war bei allen Gewehren die Feuerdisziplin
musterhaft. Da in den Pausen erkannt wurde, dass an unserem rechten
Flügel das Feuer schwächer und schwächer wurde, der Gegner dagegen
das Feuer mehr und mehr hierher konzentrierte, ohne indes Erfolge zu
zeitigen, so entschloss ich mich, die Maschinengewehre aus dem Kampfe
zu ziehen und den Rückmarsch anzutreten, um auch gemäss Befehl vom
Abteilungsführer noch vor Dunkelheit im Lager anzukommen. Ich bat
Herrn Hauptmann Kodiert, der den Befehl Ober die dortigen 1 ½ Züge
der 4. Kompagnie führte, den Rückzug der Maschinengewehre zu
decken.
Nacheinander
liess ich 4.50 nachm, die Maschinengewehre einzeln nach Nordwesten
zurückgehen. In vollster Ordnung überschritten sie auf einem Steg
oberhalb der alten Uebergangsstelle den Loldureish und marschierten
gedeckt durch Askari zum Lager zurück. Verluste sind nicht
entstanden; nur das Maschinengewehr Thöt verlor beim Rückzug den
Werkzeugkasten. Ohne verfolgt zu sein, trafen die Maschinengewehre
7.30 nachm. im Lager ein.
Nach
Beobachtung betrug die Stärke des Gegners etwa 2 Inderkompagnien, 1
Sonialikompagnie, etwa 50 Europäern, zusammen 400 – 500 Gewehre, 3
Maschinengewehre, 1—2 kleinere Geschütze.
Nach
Aussage eines von den Engländer, gefangenen und wieder entlaufenen
Boys sollen die Verluste des Gegners an Toten 10 Europäer und 20—30
Farbige betragen, lieber die Anzahl der
Verwundeten
ist nichts bekannt.
Assistenarzt
Dr. Hauer traf erst um 12.00 nachts im Lager ein. Er hatte den
verwundeten Feldwebel Röhrig der 4. Kompagnie verbunden und konnte
erst in Dunkelheit unter Askaribedeckung den Rückmarsch antreten. Er
ist unterwegs trotz des Genfer Kreuzes mehrfach beschossen. Seiner
Umsicht ist der Rücktransport des Kranken zu danken.
Das
Verhalten der Europäer und der Askari der 13. Kompagnie war in jeder
Beziehung musterhaft. Besonders ist auf die in jeder Lage bewiesene
hervorragende Disziplin hinzuweisen.
Ein
Durchbruch durch die befestigte Stellung der Engländer nach Tsavo
ist auch mit stärkeren Kräften unausführbar, da eine Möglichkeit
zur Entwickelung infolge der zahlreichen vom Feinde
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beherrschten
Engpässe und der starken englischen Streitkräfte nicht vorhanden
ist. Der Gegner wird immer in der Lage sein, von höher gelegenen und
befestigten Stellungen aus den Vormarsch einer
Truppe
zu hindern.
Für
den verwundeten Kompagnieführer
gez.
Langen,
Leutnant
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